Saatgut und Patente auf Leben
In den 90er Jahren setzte ein bis heute anhaltender Konzentrationsprozess der Saatgutbranche in den Händen einer Handvoll internationaler Chemie- unternehmen ein. Die Firmen Monsanto, DuPont, Syngenta, Dow, BASF und Bayer beherrschen zugleich das weltweite Pestizidgeschäft. Klagte der Weltagrar- bericht 2008 noch, dass die 10 größten Unternehmen über 50% des globalen Handels mit geschützten Sorten beherrschen, sind es fünf Jahre später noch drei Unternehmen, die 53% des Marktes kontrollieren.
Sie konzentrieren sich dabei auf wenige, lukrative Pflanzenarten, die von zahlungskräftigen Landwirten auf großen Flächen angebaut werden und auf Regionen, die eine entsprechende Infrastruktur und Rechtsschutz für ihre Ansprüche aufweisen. Der Weltagrarbericht bezweifelt deshalb den Nutzen von Patenten und geistigen Eigentumsrechten für Innovation, Forschung und Wissensverbreitung im Saatgutbereich. Hoffnungen, durch vereintes Auftreten öffentlicher Universitäten und Forschungsein- richtungen gegenüber der Privatwirtschaft weiterhin Zugang zu patentiertem Saatgut zu behalten, haben sich in den letzten Jahren zerschlagen. Ebenso die Hoffnung, das Internationale Abkommen über pflanzengenetische Ressourcen (ITPGRFA) werde einen fairen, am Gemeinwohl ausgerichteten Austausch von Zuchtmaterial zwischen privaten und öffentlichen Züchtern aufrechterhalten.
Patente gegen Vielfalt und Entwicklung?
Die Unternehmen horten Patente auf Pflanzen, Tiere, genetische Informationen und auf Verfahren und verkomplizieren so die Forschung, Entwicklung und vor allem Vermarktung bei ihrer Konkurrenz und in der öffentlich finanzierten Forschung. Ihre Verwertungs- strategie für den neuen „Rohstoff Wissen”, einschließlich der anwachsenden Berge an Genom-Daten, bestehe allzu oft nur darin, anderen deren unabhängige Nutzung und Fortentwicklung zu verwehren. Meist reicht dafür schon die Drohung mit einem langjährigen Rechtsstreit ungewissen Ausgangs.„Einige Saatgutunternehmen geben bereits weit mehr Geld für Rechtsanwälte als für ihre Forschung aus. Dieses Übergewicht der Rechts- über die Forschungskosten, um sich durch das Patent-Dickicht zu kämpfen, mag öffentlichen Forschungs- institutionen eine Warnung sein, dass kommerzielle Züchtungs- praktiken zur Herstellung öffentlicher Güter kein optimaler Weg sind.” (Global, S. 478).
Seit der Weltagrarbericht diese Zweifel anmeldete, ist die globale Konzentration des Saatgutmarkts weiter vorangeschritten.„Im Zusammenhang mit neuen Regeln geistigen Eigentums und der Entwicklung der Biotechnologie (…) wurde die Markt- konzentration zum zentralen Thema der Pflanzenbiotechno- logie und Saatgutindustrie. Diese Konzentration veränderte den Umgang mit genetischem Material (Keimplasma) und markiert eine fundamentale Veränderung des Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor.“ (Global, S. 94)In Afrika gibt es mehrere Vorstöße, das Sortenschutzrecht auf regionaler und nationaler Ebene drastisch zu verschärfen. Industrie- staaten üben mit der Saatgutindustrie und privaten Geldgebern durch Freihandelsabkommen und Entwicklungsprojekte entsprechenden Druck auf afrikanische Regierungen aus.
Die Etablierung eines wirtschaftlich profitablen Saat- gutmarktes gehört zu den zentralen Strategien der „Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika“ (AGRA), die von der Bill & Melinda Gates und Rockefeller-Stiftung ins Leben gerufen wurde. In Lateinamerika, dem am schnellsten wachsenden Saatgutmarkt, schreitet dessen Privatisierung vor allem bei den Cash Crops Soja und Mais weiter voran. In Asien dagegen, v.a. in Indien und China, haben Landwirte noch immer vergleichsweise starke Rechte. In der Europäischen Union ist das Thema, wie fast überall auf der Welt, ein Zankapfel, an dem sich der Widerstand gegen große Saatgutunternehmen kristallisiert.