Klima und Energie
Weil Pflanzen das Klimagas CO2 binden und Böden Kohlenstoff speichern, könnte die Landwirtschaft uns rein theoretisch langfristig klimaneutral ernähren und kurzfristig sogar mehr CO2 binden als ausstoßen. Stattdessen gehört der Agrarsektor heute zu den wichtigsten Quellen anthropogener Klimagasemissionen. Fast die Hälfte dieser Emissionen resultieren aus Landnutzungsänderungen durch die Umwandlung von Wäldern zu Acker- und Weideland sowie aus der Trockenlegung von Mooren und das Verbrennen von Biomasse. Die andere Hälfte stammt aus der Landwirtschaft. Extrem klimawirksame Treibhausgase wie Lachgas entstehen durch Mineraldünger, während Methan beim Nassreisanbau oder durch Verdauungsprozesse von Wiederkäuern in der Tierhaltung freigesetzt wird. In den letzten 50 Jahren haben sich die weltweiten Emissionen der Landwirtschaft verdoppelt.„Zu den wichtigsten Beiträgen der Landwirtschaft zum Klima-wandel gehören folgende:
• Große Mengen an gespeichertem Kohlenstoff als CO2 werden durch die Umwandlung von Land und dessen Pflugbearbeitung aus Vegetation und Böden freigesetzt. Etwa 50% der weltweiten Landfläche wurde in Weide- und Ackerland umgewandelt. Dabei gingen über die Hälfte aller Wälder verloren.
• Abholzung und Walddegradierung setzen CO2 durch Zersetzung oberirdischer Biomasse und entwässerte Torfböden sowie durch Torffeuer frei.
• Kohlendioxid (CO2) und Feinstaub werden durch fossile Brennstoffen emittiert, die in Landmaschinen, Beregnungs-pumpen, zur Getreidetrocknung etc. sowie zur Produktion von Kunstdünger und Pestiziden eingesetzt werden.
• Methan (CH4) wird durch tierische Verdauungsprozesse und in der Reisproduktion freigesetzt.
• Veränderter Strahlungsfluss (Abstrahlung von Wärme) und Verdunstung aus frischen Brachen.
• Die weitere Entfernung der Produzenten von den Konsumenten führt zusammen mit regionaler landwirtschaft-licher Spezialisierung zu höherem Energieverbrauch beim Transport" (Synthese, S. 46-47)
Einsparpotenziale und Speicherkapazitäten
Die Klimabilanz unterschiedlicher Anbaumethoden und Ernährungssysteme klafft weit auseinander.„Die höchsten Treibhausgasemissionen sind generell mit den intensivsten Bewirtschaftungssystemen verbunden.” (Synthese, S. 47)In der Regel sind arbeitsintensive und kleinteilige Strukturen klimafreundlicher als industrielle Monokulturen; ebenso der lokale und direkte Verbrauch im Vergleich zu aufwändigen Transport-, Verarbeitungs- und Kühlketten.
Enormes Potenzial sieht der Weltagrarbericht in einer klimaschonenderen Bodenbewirtschaftung: Ackerland darf nicht brach liegen, sollte stetig begrünt sein und nicht mehr und nicht tiefer gepflügt werden als nötig. Der systematische Aufbau des Humusgehaltes speichert nicht nur Kohlenstoff im Boden, sondern erhöht zugleich dessen Fruchtbarkeit und die Fähigkeit, Wasser zu speichern. Erntereste sollten hierfür in den Boden eingearbeitet werden anstatt offen zu verrotten oder zu verbrennen. Die Integration von Bäumen in die landwirtschaftliche Produktion durch Agrarforstwirtschaft kann einen wesentlichen Beitrag leisten.„Einige Win-win-Möglichkeiten zur Schadensbegrenzung sind bereits identifiziert. Dazu gehören eine geringere landwirt- schaftliche Expansion in natürliche Lebensräume, Aufforstung und Vermeidung von Entwaldung, Agroforst- und agraröko- logische Systeme, die Wiederherstellung von degradierten oder ungenutzten Flächen, Kohlenstoff-Sequestrierung in Agrarböden, Verringerung und effizientere Nutzung von Stickstoffeinträgen, effektives Düngemanagement und Futter- mittel zur effizienteren tierischen Verdauung.“ (Synthese, S. 9)
Freilich ist die Kapazität verschiedener Böden, Kohlenstoff zu binden, letztlich begrenzt. Sie ersetzt nicht die tatsächliche Vermeidung von Klimagasemissionen. Die wichtigste Maßnahme dafür ist die Einsparung von Mineraldünger und sein Ersatz durch Gründünger und organisches Material. Aber auch die Optimierung von Anbaumethoden und Bewässerungssystemen, Tierhaltung und -fütterung sowie biologische statt chemischer Beikraut- und Schädlingskontrolle birgt Einsparpotenzial. Weitere Abholzung muss vermieden, nicht genutztes Land wieder aufgeforstet werden und die Entwässerung von besonders kohlenstoffreichen Mooren und Torfböden vermieden beziehungsweise rückgängig gemacht werden. >>mehr
Fakten & Zahlen
2022 betrugen die globalen Treibhausgasemissionen 57,4 Gigatonnen CO2-Äquivalente, wovon 20,9 GtCO2e (36%) auf den Energiesektor, 14,4 GtCO2e (25%) auf die Industrie und 10,3 GtCO2e (18%) auf Landwirtschaft und Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft, 14% auf Verkehr und 6,7% Gebäude entfielen. Wenn alle Staaten ihre Emissionen wie zugesagt reduzieren, würde sich die Welt bis 2100 um 2,9 Grad erwärmen. Mit den zusätzlich in Aussicht gestellte Maßnahmen ist von einer Erderwärmung um 2,5 Grad auszugehen. Damit das 2-Grad-Ziel noch erreicht werden kann, müssten die für 2030 prognostizierten Treibhausgasemissionen um 28% sinken, für das ehrgeizigere 1,5-Grad-Ziel wäre ein Reduktion um 42% nötig.
Land- und Forstwirtschaft und das gesamte Ernährungssystem sind eine signifikante Treibhausgasquelle: 23% der anthropogenen Treibhausgasemissionen entfielen 2007–2016 auf diesen Sektor – bei den Methanemissionen betrug der Anteil 44% und beim Ausstoß von Lachgas 82%. Rechnet man die der Lebensmittelproduktion vor- und nachgelagerten Emissionen im globalen Ernährungssystem hinzu, verursacht der Sektor 21‐37% aller Treibhausgasemissionen.
2017 erreichte die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre neue Rekorde. Die CO2-Konzentration betrug 405,5 Teilchen pro Million Teilchen (ppm), verglichen mit 400 ppm in 2015. Die Methankonzentration klettere auf den Rekordwert von 1.859 Teilchen pro Milliarde (ppb) - etwa 60% stammt von menschlichen Aktivitäten wie Viehzucht, Reisanbau und Mülldeponien. Die Konzentration von Lachgas stieg auf 329,9 ppb, vor allem durch die Verbrennung von Biomasse und Düngereinsatz.
Die fünf größten Milch- und Fleischkonzerne (JBS, Cargill, Tyson, Dairy Farmers of America und die Fonterra Group) stießen 2016 gemeinsam 578 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (MtCO2e) aus. Das ist mehr als alle Emissionen Großbritanniens (507 MtCO2e in 2015) oder Frankreichs (464 MtCO2e) und übertrifft Ölriesen wie Exxon (577 MtCO2e in 2015) oder Shell (508 MtCO2e). Die 20 größten Fleisch- und Milchkonzerne verursachten 2016 mit 932 MtCO2e mehr Emissionen als Deutschland
Die EU-Treibhausgasemissionen (ohne Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft) betrugen 2017 insgesamt 4.333 Millionen Tonnes CO2-Äquivalente (MtCO2e). Die Landwirtschaft war für 10% der Gesamtemissionen bzw. 440 MtCO2e verantwortlich. Davon entfielen 38% auf Methanemissionen durch die Verdauuung von Rindern und 31% auf direkte Lachgasemissionen aus landwirtschaftlichen Böden. Deutschland und Frankreich verursachten 32% der Agraremissionen.
In Deutschland wurden 2018 insgesamt 868,7 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt - 4,2% weniger als 2017 und damit die erste klare Reduzierung nach vier Jahren Stagnation. Auf den Energiebereich entfielen 727,6 Millionen Tonnen (83,7%) und auf die Industrie 64,7 Millionen Tonnen (7,4%). Die deutsche Landwirtschaft stieß 66,7 Millionen Tonnen CO2- Äquivalente (7,7%) aus. Ihre Emissionen stiegen 2018 um 0,7%, was auf eine Zunahme der Tierbestände zurückzuführen ist. 61% aller Methan- und 80% der Lachgas-Emissionen gingen auf das Konto der Landwirtschaft.
Wenn keine ambitionierteren Maßnahmen eingeleitet werden, nehmen die weltweiten Treibhausgas- emissionen bis 2050 laut Projektionen der OECD um 50% zu, vor allem infolge eines Anstiegs der energiebedingten CO2-Emissionen um 70%, aber auch durch Emissionen der Landwirtschaft.
Die ackerbauliche Nutzung von Mooren in Deutschland stellt mit 20,26 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr die größte landwirtschaftliche Einzelemissionsquelle dar, obwohl die Moorböden nur 4% der gesamten ackerbaulichen Fläche ausmachen.
Die Landwirtschaft birgt ein enormes Potenzial zur Minderung des Klimawandels: Sie könnte mit der Forstwirtschaft zusammen die Gesamtemissionen um 18% senken, vor allem durch Kohlenstoff-sequestrierung im Boden (89%) und Reduzierung der Methanproduktion durch Reisfelder (9%).
Die Landwirtschaft trägt mit 17-32% erheblich zu dem von Menschen verursachten Klimawandel bei. Landwirtschaftlich verursachte Methan- und Lachgasemissionen sind zwischen 1990 und 2005 um 17% gestiegen. Hochrechnungen zufolge sollen die Methan und Lachgasemission bis 2030 um weitere 35 - 60% steigen.
In Deutschlands Wäldern sind rund 1,2 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in der ober- und unterirdischen Biomasse gebunden. Ist der Zuwachs größer als die Holznutzungen, steigen die Vorräte und der Wald wirkt als CO2-Senke. Die Senkenleistung nahm von ca. 80 Millionen Tonnen CO2 Anfang der 90er-Jahre stetig ab, derzeit werden 20 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich im Wald gespeichert.
Im Pflanzenbau sind es in erster Linie der Einsatz von Mineraldünger und Pflanzenschutzmitteln sowie die Entwässerung von Feuchtgebieten, die über das Ausmaß der „Klimakosten“ entscheiden.
Laut einer Studie des Thünen-Instituts enden in Deutschland jedes Jahr 12 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. 52% der Lebensmittelabfälle (6,14 Mio. t) entstanden 2015 in privaten Haushalten - jeder Einzelne warf etwa 75 kg weg. Auf die Außer-Haus-Verpflegung entfielen 14% (1,69 Mio. t), den Handel 4% (0,49 Mio. t), die Verarbeitung 12% (1,36 Mio. t) und die Landwirtschaft 18% (2,17 Mio. t). Der WWF kritisiert, die Datengrundlage für die Abfälle im Handel sei lückenhaft.
Eine Metaanalyse hat ergeben, dass biologisch bewirtschaftete Böden flächenbezogen weniger Lachgas emittieren als solche unter konventioneller Bewirtschaftung. Die Emissionen von Bioflächen lagen pro Hektare und Jahr durchschnittlich 492 kg CO2-Äquivalente unter denen konventioneller Felder. Zudem weisen Bioflächen eine leicht erhöhte Aufnahme von atmosphärischem Methan auf.