Die Rolle der Geschlechter

Die Industrialisierung der Landwirtschaft fällt v.a. in klassisch männliche Kompetenzdomänen, wie den konkurrenzbewussten Einsatz von Maschinen, Chemie und Hochleistungssorten, die Produktion von Cash Crops und Großvieh für überregionale Märkte und das Eingehen der damit verbundenen wirtschaft- lichen Risiken. Häufig entwerten sie dabei traditionell weibliche Hoheitsgebiete und Kompetenzen. Diese liegen eher in einer kooperativen und umsichtigen, Risiken minimierenden Lebensmittelproduktion, -verarbeitung und -versorgung, in sozialer Selbsthilfe und Gesundheitsvorsorge. Häufig versorgen Frauen die Familie mit den nötigen Lebensmitteln aus eigenem diversifiziertem Anbau von Gemüse, Obst, Wurzelfrüchten und Kräutern aus Hausgärten und Kleintierwirtschaft.„Oft sind es die Frauen, die das Wissen über Wert und Nutzen lokaler Pflanzen und Tiere für Ernährung, Gesundheit und Einkommen als Familienversorgerinnen, Pflanzensammler-innen, Kräuterspezialistinnen, Saatguthalterinnen und Züch- terinnen besitzen. Ihre Experimente und Anpassungsversuche mit einheimischen Arten machen sie oft zu Expertinnen für pflanzengenetische Ressourcen" (Synthese, S. 78)Männer drehen dagegen eher an jenen größeren Rädern, die Millionen von Kleinbauern in den vergangenen Jahrzehnten in den Ruin und die Slums der Städte, oder aber auch in den Selbstmord trieben. Solch holzschnittartige Charakterisierungen werden der vielschichtigen, regional, historisch und kulturell unterschiedlichen Beziehung der Geschlechter zwar nicht gerecht. Sie lassen aber Grundlinien einer Zukunft erkennen, in denen der Weltagrarbericht das vielleicht größte Innovationspotential zur Erreichung seiner Nachhaltigkeits- und Entwicklungsziele sieht.

Weibliche Innovation

Wo Frauen gleichberechtigte Trägerinnen einer zunächst auf örtliche Versorgung und Entwicklung ausgerichteten, kleinbäuerlichen Landwirtschaft und Regionalentwicklung werden, für die Export und Non-Food-Produktion zweitrangige Ergänzungs- möglichkeiten sind, steigen die Chancen zur Überwindung von Hunger und Verelendung überproportional. Die FAO schätzt, dass Frauen 43 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in den Entwicklungsländern stellen. Ihr gleichberechtigter Zugang zu produktiven Ressourcen würde ihre Erträge unmittelbar um 20 bis 30 Prozent steigern. Ihre Bereitschaft und Fähigkeit, wachsende Selbstbestimmung und Qualifikation direkt zur Vermehrung gesellschaftlichen Wohlstandes samt seiner ökologischen Grundlagen einzusetzen, stellen Frauen in aller Welt eindrucksvoll unter Beweis.„Mikrofinanz-Gruppen haben über 10 Millionen Mitglieder in der Region, davon fast 90% Frauen (...). Frauenselbsthilfe- und Mikrokreditgruppen in Indien und anderen Ländern in der Region haben den weiblichen Verdienst zum dauerhaften Bestandteil des Haushaltseinkommens gemacht und durch diese Reduzierung der Abhängigkeit von männlichen Ernährern die patriarchalischen Verhältnisse geschwächt. (...) In Indien haben solche Selbsthilfegruppen begonnen, in Gemeindeprojekte wie Kleinbewässerungsanlagen und Bodenerhaltung zu investieren. Anders als männliche Gruppen mit ähnlichen Aufgaben haben sie dabei beachtliches Kapital angespart und in Traktoren und sonstige Mechanisierung investiert." (Ost- und Südasien & Pazifik, S. 181).

Die klare Botschaft des Weltagrarberichts, dass Frauen den wesentlichen Unterschied machen werden, war schon 2008 nicht mehr neu. Sie fiel im Unterschied zu manch anderer Botschaft auf frucht- baren Boden. Weltbank, FAO, staatliche wie nicht- staatliche Entwicklungsorganisationen, aber auch eine wachsende Zahl von Regierungen und Institu- tionen haben sich heute Gender-Main­strea­ming, die Verbesserung der Geschlechterverhältnisse, in all ihren Programme und Aktivitäten auf die Fahnen geschrieben. Auch wenn der Erfolg nicht selten eine Schnecke ist, so ist er doch in vielen Regionen der Welt nicht zu übersehen.

Grundlagen

Bewegung

Literatur

Videos: Geschlechter und ihre Rollen

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Welches Potential bietet die Gleichstellung der Frauen?

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