Fleisch und Futtermittel
Die allermeisten Tiere werden heute allerdings in immer größeren Anlagen vor allem mit Kraftfutter aus Soja, Raps, Mais, Weizen und anderem Getreide von Ackerflächen gefüttert, die der direkten Lebensmittel- produktion verloren gehen. Besonders problematisch wird dies, wo die Nahrungsmittelkonkurrenz in andere Länder oder Regionen „ausgelagert“ wird. Die Europäische Union etwa importiert mehr als 70% der Eiweißpflanzen für ihr Tierfutter, vor allem Sojabohnen und Sojaschrot aus Brasilien, Argentinien, Paraguay und den USA. Die dort dafür benötigte Fläche entspricht über 20 Prozent der gesamten Ackerfläche der EU. Für den Anbau werden Urwälder abgeholzt und riesige Weidegebiete in Äcker verwandelt. Eine Katastrophe für die globale Artenvielfalt und den Klimaschutz; aber auch ein Raubbau an Bodenfruchtbarkeit durch die Monokulturen.„Soja ist eines der sich weltweit am schnellsten ausbreitenden Anbauprodukte (…). Die Abholzung für die Sojaexpansion gilt als eine bedeutende Umweltbedrohung in Argentinien, Brasilien, Bolivien und Paraguay. Die Anbauflächen wurden teils in Gegenden ausgedehnt, die zuvor für andere landwirtschaftliche Aktivitäten oder als Weideland genutzt wurden, aber auch die zusätzliche Umwandlung der natürlichen Vegetation spielt eine große Rolle.“ (Global, S. 284)
In Europa ist der Anbau von Soja oder heimischen Eiweißpflanzen – z. B. Ackerbohnen, Futtererbsen oder Lupinen – seit Jahrzehnten nicht mehr konkurrenz- fähig. Dabei können diese Leguminosen in Symbiose mit Bakterien an ihren Wurzeln selbst Stickstoff aus der Luft fixieren und so mineralische oder tierische Düngung ersetzen. Leguminosen wären deshalb ein wesentlicher Beitrag zu Klimaschutz und Bodenfrucht- barkeit. Darüber sind sich die EU-Agrarminister und das EU-Parlament zwar einig. Dennoch konnten sie sich bei der letzten Agrarreform nicht dazu durchrin- gen, den Anbau von Leguminosen als Bestandteil einer Mindestfruchtfolge zu verlangen, sondern eröffnen im Rahmen des sogenannten Greenings Landwirten die Möglichkeit, Leguminosen auf 5% des Ackers anzubauen, um damit eine vorgeschriebene „ökologische Vorrangfläche“ zu vermeiden.
Klimakiller Nummer Eins
Zur industriellen, nicht mehr an Weiden gebundenen Herstellung von Fleisch, Milch und Eiern wird ein Vielfaches der Kalorien zunächst in Form von Getreide und Ölfrüchten in besonders energieintensiven Mono- kulturen angebaut. Weil die Tiere zudem die gefähr- lichen Klimagase Methan (Wiederkäuer) und Ammoniak aus Gülle und Mist emittieren, ist die industrielle Tierhaltung der mit Abstand größte Beitrag der Landwirtschaft zum Klimawandel.„Die Viehhaltung hat enorme Auswirkungen auf die Umwelt: 18% der gesamten Treibhausgasemissionen in CO2-Äquivalenten und 9% aller anthropogenen CO2-Emissionen, einschließlich der fossilen Brennstoffe zur Herstellung der erforderlichen Inputs, gehen auf ihr Konto. Weltweit verursacht sie etwa 8% des menschlichen Wasserverbrauchs, vor allem für die Bewässerung beim Anbau der Futtermittel. Der totale Wasserbedarf für 1 Kilo verzehrbares Rindfleisch wird auf 20 bis 43 Tonnen geschätzt. (...) In den USA verursacht die Tierhaltung 55% der Bodenerosion und Sedimentation, 37% des Pestizideinsatzes, 50% des Antibiotikaverbrauchs und ein Drittel der Süßwasser-belastung mit Stickstoff und Phosphat.” (Global, S. 518, 520) Einige Klimawirkungen der Fleisch‑ und Milchproduktion können durch Optimierung der Futterzusammen- setzung gelindert werden und zusätzliche Futter- quellen (z.B. Abfälle, Fischerei-Beifang) die Effizienz ebenso steigern wie die sinnvollere Verteilung der Produk- tionsstätten, die Transportwege verkürzt und tierische Dünger dort einsetzbar macht, wo Nährstoffe dem Boden entzogen wurden.
Renaissance des Sonntagsbratens?
Auch wenn der Weltagrarbericht zum Konsumver- halten keine Empfehlung abgibt, lassen seine Ergebnisse nur einen Schluss zu: Die Reduzierung des Verbrauchs von Fleisch und anderen tierischen Produkten in Industriestaaten und ihre Begrenzung in den Schwellenländern ist der dringendste und effektivste Schritt zur Sicherung der Ernährung, der natürlichen Ressourcen und des Klimas. Wie radikal wäre angesichts der fatalen Folgen des Fleisch- konsums eine Rückkehr zum Sonntagsbraten unserer Großeltern? Dies täte übrigens nicht nur unserer Gesundheit, der Lebensmittelsicherheit und der Umwelt gut. Der respektvollere Umgang mit Nutz- tieren, der in einem grotesken Gegensatz zu unserem Verhältnis zu Haustieren steht, wäre dem Wohl- ergehen der Tiere zuträglich, aber auch unserer eigenen Selbstachtung. Wir müssten beim Griff ins Kühlregal nicht mehr unerträgliche Zustände in modernen Fleischfabriken verdrängen, nicht die Ver- nichtung von Wäldern, Tier und Pflanzenarten, nicht die Aufheizung des Klimas und auch nicht den mit dem Fleischwahn einhergehenden Ruin gewachsener ländlicher Räume und bäuerlicher Existenzen.