Agrarsprit und Bioenergie
Der Weltagrarbericht stellt fest, dass der stets ange- führte positive Klimaeffekt von Agrarsprit umstritten ist. Seine Verbrennung setzt zwar nur so viel CO2 frei, wie zuvor von den Pflanzen absorbiert wurde. Doch der Energieaufwand für Anbau und Aufbereitung und die enormen CO2-Emissionen durch Abholzung zur direkten oder indirekten Erschließung von Energie- und Spritanbauflächen reduzieren den Effekt im Ver- gleich zu Erdöl und können ihn, je nach Pflanzenart und Anbaustandort, sogar ins Negative kippen. Um auch nur 20% des weltweiten Ölverbrauchs zu decken, wären zwei Drittel der Weltackerfläche nötig.„Eine groß angelegte Expansion von Biokraftstoffen der ersten Generation als Treibstoff schafft einen enormen Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen und Wasser mit potenziell erheblichen negativen sozialen und ökologische Folgen wie steigenden Lebensmittelpreisen, Entwaldung und Erschöpfung von Wasserressourcen, die die positiven Effekte überwiegen könnten.”(Global, S.422)
Fraglicher Klimaschutz
In jedem Fall steht die Produktion von Agrarsprit in direkter Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion um begrenzte Anbauflächen und Wasser und fördert industrielle Monokulturen mit ihren negativen Folgen für die ländliche Struktur und Beschäftigung sowie die Umwelt. Der Bericht warnt vor allem vor einer Expansion des Anbaus in ökologisch wertvolle Naturgebiete und der zusätzlichen Bedrohung der Artenvielfalt.„Es gibt auch ökologisch-ethische Bedenken bei der Umwandlung fragiler, ökologisch wertvoller Flächen für die Produktion von Biokraftstoff, sei es die Palmölproduktion in Südostasien auf Kosten des Dschungels oder die Sojaproduktion auf Kosten von Weideland oder Regenwald. Moralisch könnte es nicht vertretbar sein, Öl für Biokraftstoffe in Regionen zu erwerben, wo die Umwelt so ausgebeutet wird.” (Nordamerika und Europa, S. 219)Technische Realisierbarkeit und Effizienz der sogenannten 2. Generation von Agrarsprit, die Algen oder Zellulose von Bäumen, Sträuchern, Stroh und Gräsern nutzen soll, bewertet der Bericht vorsichtig. Das Problem der Konkurrenz um Boden und Wasser werde fortbestehen.
Dezentrale Energiegewinnung
Agrarsprit ist allerdings nur ein kleiner, wenn auch besonders dynamischer Teil der Bioenergieproduk- tion. Rund drei Milliarden Menschen nutzen Holz zum Kochen und Heizen. Viele traditionelle Formen der Verbrennung von Holz und Holzkohle, von Ernteresten und Dung sind energetisch ineffektiv, klimaschädlich, entziehen dem Boden organische Masse und sind oft gesundheitsschädlich. In manchen Regionen, gerade in Afrika, bedroht die Übernutzung für Feuerholz den ohnehin geringen Baumbestand und verschleißt Arbeitszeit, die anderweitig besser genutzt werden könnte. Der Weltagrarbericht sieht daher in der Opti- mierung der traditionellen Nutzung von Bioenergie, vor allem aber in der Erschließung neuer Energie-quellen, z.B. Solarkochern für arme ländliche Gemeinden, eine wesentliche Zukunftsaufgabe.„Der Aussicht auf die Entwicklung neuer Energiequellen durch Biotreibstoffe steht die Gefahr der Umwandlung natürlicher Waldgebiete und von Agrarflächen in Monokulturen gegenüber. Sie können sich auf die Ernährungssicherheit, Artenvielfalt, Nachhaltigkeit und Existenzsicherung negativ auswirken. Die Schaffung dezentraler, lokaler und hocheffizienter Energie- systeme ist dagegen eine wichtige Option zur Existenzsiche- rung und Reduzierung der CO2-Emissionen.” (Ost- und Südasien und Pazifik, S. 64)
Neben Solar- und Windanlagen sind auch dezentrale Biogasanlagen für die Stromproduktion sowie Klein-anlagen zur Dieselproduktion trotz mancher Kinder- krankheiten in ländlichen Gemeinden weltweit auf dem Vormarsch. Solange diese in den örtlichen Anbau von Lebensmitteln integriert sind, sollten sie nicht in einen Topf geworfen werden mit dem ausschließ- lichen und großflächigen Anbau von Energiepflanzen für industrielle Großanlagen, die in Konkurrenz zu Lebensmitteln und kleinbäuerlichen Existenzen Treibstoff und Energie für den Weltmarkt produzieren.