Agrarökologie
Standardisierte und zertifizierte Methoden, namentlich der biologische Landbau, sind ein kleiner, aber recht prominenter Teil der Agrarökologie. Weil sie wichtige Merkmale wie den Verzicht auf synthetische Pestizide und Düngemittel nachprüfbar machen, ermöglichen sie internationale Vermarktung und schaffen ein weltweites Netzwerk von Produzenten und Konsumenten, von Informationsaustausch, Ausbildung und wissenschaftlicher Fortentwicklung. Dennoch entzieht sich die Vielfalt der Agrarökologie auch solchen Standardisierungsversuchen.
Sie ist weder ein perfektes System noch eine universelle Ideologie, sondern eine ständige, nie vollendete Annäherung an bestmögliche Lösungen und Kompromisse und die jeweiligen örtlichen, ökologischen, kulturellen und sozialen Bedingungen. Weil agrarökologische Bewirtschaftungsformen keine guten Kunden für Agrarchemie, industrielles Saatgut und Großmaschinen sind, ist die internationale Agrarindustrie an ihrer Ausweitung nicht interessiert. Dem globalen Handel mit Agrarrohstoffen liefern sie kaum standardisierte Produkte.
Allerdings entwickelt sich im Kleinen, auch international, ein hoffnungsvoller Markt für nachhaltig und fair produzierte „ethische” und „ethnische” Produkte mit nachweisbarer Herkunft, eigener Geschichte und besonderer Regionalität und Qualität.
Viel gelobt, wenig unterstützt
Ihre Kleinteiligkeit und Liebe zum Detail, ihre Wissensintensität und Langfristigkeit machen agrarökologische Projekte wenig attraktiv für staatliche und internationale Entwicklungshilfe, die möglichst schnell mit möglichst geringem eigenem Aufwand möglichst große, einfach messbare Effekte erzielen soll. Als die Weltbank kurz nach der Veröffentlichung des Weltagrarberichts mit zusätzlichen Milliarden bedacht wurde, die sie in die langfristige Bekämpfung des Hungers investieren sollte, floss der Löwenanteil dieser Gelder deshalb in Großprojekte, nicht zuletzt in Chemie-Subventionen. Dem klassischen Wissenschaftsbetrieb ist Agrarökologie ein sperriger Gegenstand. Zu viele Parameter und Betrachtungsebenen auf einmal machen das System schwer zerlegbar und messbar und deshalb ungeeignet für schnelle Veröffentlichungen in den Journalen, die für wissenschaftliche Karrieren und die Mittelakquise wichtig sind.„Die Würdigung aller Beweise ergibt einen klaren Bedarf an
• zielgerichteter institutioneller und politischer Unterstützung für partizipative, ökologisch orientierte Entscheidungsprozesse von Landwirten;
• agrarökologischen Partnerschaften, die gemeinsames, soziales und ökologisches Lernen fördern;
• strikteren und durchsetzbaren gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen;
• Investitionen des öffentlichen Sektors, von Geberorganisa- tionen und Privatunternehmen in nachhaltige und agrarökolo- gische Forschung, Beratung, Bildung, Produktinnovation und Vermarktung.” (Global, S. 107)
Aus all diesen Gründen wird die Agrarökologie trotz gegenteiliger Beteuerungen weltweit in nur wenigen Ländern, wie etwa Brasilien, systematisch gefördert und fällt häufig durch das Raster staatlicher Politik. NGOs, Gemeinden, lokale Initiativen und Bauernorganisationen, zunehmend auch engagierte Verbraucherinnen und Verbraucher, sind ihre besten Verbündeten.„Die Ausweitung und Stärkung von AKST hin zu einer agrarökologischen Wissenschaft wird dazu beitragen, Umweltherausforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig die Produktivität zu erhalten und zu steigern.” (Global Summary for Decision Makers, Punkt 7, S. 6)
Der Weltagrarbericht hat wesentlich dazu beigetragen, dass Agrarökologie zu einem global anerkannten Konzept ökologischer, klimaangepasster und sozial nachhaltiger Entwicklung wurde. Zu den untrüglichen Zeichen des Erfolgs gehören eine ganze Reihe von Begriffen wie „Erhaltungslandwirtschaft“ oder „nachhaltige Intensivierung“, die versuchen, sich mit durchaus anderen Inhalten und Absichten des Konzeptes zu bemächtigen.