Saatgut in Bauernhand: Mit Vielfalt und lokalem Wissen aus der Armut
Auf den Philippinen, einst einer führenden Wirtschafts- nation Südostasiens, leben 41 Prozent der Bevölkerung von weniger als zwei Dollar am Tag, jeder Fünfte ist unterernährt. Im Zuge der „Grünen Revolution“ war die diversifizierte, traditionelle Landwirtschaft grundlegend umgestaltet worden. Die viel gepriesenen Hochertragssorten im Paket mit Kunstdünger und Pestiziden trieben viele Kleinbauern in die Schuldenfalle, da die Preise für Betriebsmittel stiegen, die Erträge aber hinter den Erwartungen zurückblieben.
Als Ausweg aus dieser Sackgasse schlossen sich Ende der 80er Jahre Bauern und Bäuerinnen mit Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen zum MASIPAG-Netzwerk zusammen. Sie sammelten über 1.300 traditionelle Reissorten und züchteten 1.288 neue Reislinien, die optimal an Böden und Klima vor Ort angepasst sind. Auf Testfarmen werden sie jedes Jahr ausgesät und weiterentwickelt. Die Bauern schätzen ihre Sorten ein und wählen jene aus, die sich ideal für die Bedingungen ihres Stücks Land oder die Zucht neuer Sorten eignen.
Dabei sind sie mit Unterstützung der Wissenschaftler selbst zu Experten geworden. Know-how und Saatgut geben die Mitglieder untereinander weiter. So entstand eine Wissenspartnerschaft auf Augenhöhe, die von den Bedürfnissen an der Basis ausgeht und den Bauern Selbstbewusstsein verleiht. „Die internationale Agrarforschung wird von multinationalen Konzernen kontrolliert. Bei MASIPAG haben die Bäuerinnen und Bauern die Kontrolle über ihre wichtigste Ressource, das Saatgut, zurückgewonnen“, sagt Manny Yap, der Ex-Koordinator von MASIPAG. Im Netzwerk sind heute landesweit 30.000 Familien in 563 Bauerngruppen organisiert. Das MASIPAG-Erfolgsrezept lautet Vielfalt.
Die Betriebe setzen auf eine große Bandbreite von Feldfrüchten und Reissorten, um Totalausfällen bei der Ernte vorzubeugen. Da bei der Sortenauswahl nicht nur der Ertrag, sondern auch die Anpassung an lokale Bedingungen im Vordergrund steht, gelingt es einer Sorte immer, Trockenheit oder Über- flutung zu trotzen – in Zeiten des Klimawandels die beste, billigste und zuverlässigste Versicherung.
Eine von MASIPAG und Misereor beauftragte Studie, für die 840 Haushalte befragt wurden, darunter auch konventionell wirtschaftende Bauern, belegt: MASIPAG- Reis kann selbst mit Hochleistungssorten mithalten und zwar ohne Pestizide. Da die Bauern weitgehend unabhängig von externen Inputs sind und die Vielfalt der angebauten Produkte sie in die Lage versetzt, Ausfälle auszugleichen, konnten sie ihr Einkommen steigern und verdienen mehr als die konventionellen Betriebe. Auch die Ernährungssicherheit und der Gesundheitszustand der MASIPAG- Familien haben sich verbessert. Das Programm ist so erfolgreich, dass mittlerweile auch staatliche Landwirtschaftsberater bei MASIPAG in die Lehre gehen.