Bhutan – vom „Nationalen Glücksprodukt“ zur Bio-Nation
1972 machte die Weltbank, so geht die Sage, den damals 17-jährigen vierten Drachenkönig von Bhutan darauf aufmerksam, dass die Mehrheit seines Volkes von weniger als einem Dollar am Tag leben müsse. Darauf antwortete König Jigme Singye Wangchuck, wichtiger als das Bruttosozialprodukt eines Landes sei das Glück seiner Bewohner. Das daraus von buddhistischen und westlichen Wissenschaftlern entwickelte Konzept zur Messung des „Nationalen Glücksprodukts“ ist mittlerweile international anerkannt. Aus 124 Variablen wird ermittelt, ob die geistige, materielle, spirituelle, ökologische, soziale und gesund- heitliche Versorgung ausreicht für das persönliche und gemeinschaftliche Wohlergehen. Nur 8,8% der etwa 775.000 Bhutaner sind der letzten Glückserhebung aus dem Jahr 2015 zufolge unglücklich, während 47,9% begrenzt, 35% weitgehend und 8,4% zutiefst glücklich sind. Trotz seiner Armut nimmt das Land damit international eine Spitzenposition ein.
2008 unterzeichnete Bhutans erste frei gewählte Regierung den Weltagrarbericht und zog daraus ihre eigenen Schlüsse. Agrarminister Pema Gyamtsho – selbst Landwirt wie zwei Drittel der Bevölkerung – gab 2012 seine Strategie bekannt, das Land Schritt für Schritt zur ersten hundert- prozentigen Bio-Nation der Welt zu machen. Am Anfang stehen Aufklärung, Beratung und Ausbildung. Neben ökologischem Schutz und der Unabhängigkeit der Bauern von der internationalen Agrarindustrie soll der Export hochwertiger Bio-Produkte ökonomische Chancen eröffnen und so der Landflucht Einhalt gebieten.
Der kleine Himalaya-Staat zwischen China und Indien versorgt sich außer mit Reis weitgehend selbst, obwohl nur in den fruchtbaren Tälern auf drei Prozent der Fläche Ackerbau möglich ist. 80% des Landes sind bewaldet und müssen dies laut Verfassung zum Schutze der Natur auch bleiben. 2012 erklärte Bhutans damaliger Premierminister Jigmi Thinley beim UN-Nachhaltigkeitsgipfel Rio+20: „Dass wir die Wahl hätten, auf biologische Landwirtschaft umzustellen ist ein weltweit verbreiteter Mythos. Aus Sicht der Ernährungssicherung haben wir keine andere Wahl, sondern ist es eine Frage des Überlebens!“
Ob es dem Königreich gelingen wird, das ambitionierte Ziel von 100% Bio tatsächlich wie geplant bis 2020 zu erreichen, ist fraglich. Zwar bewirtschaften viele Kleinbauern ihr Land ohnehin ökologisch ohne Pestizide und Kunstdünger, doch nach Angaben von IFOAM war 2016 erst 1,3% der Agrarfläche zertifiziert. Das Bhutan Organic Certification System (BOCS) steckt noch in den Anfängen und das Ökolandbauprogramm hat mit Finanzierungslücken zu kämpfen. Doch Agrarminister Lyonpo Yeshey Dorji ist optimistisch, dass es gelingen kann: „Ich sehe enorme Chancen und Potenzial dafür, dass der Ökolandbau eine große Rolle spielen wird“, bekräftigte er 2017. Die Nase vorn hat nun erst einmal der kleine nordindische Bundesstaat Sikkim, der seine Landwirtschaft komplett auf Bio umgestellt hat.