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29.04.2021 | permalink
Bayer und BASF: Hochgefährliche Pestizide für die Welt
Die Agrarchemieriesen Bayer und BASF entwickeln und vermarkten hochgefährliche Pestizidwirkstoffe und -produkte im globalen Süden, die in der EU nicht genehmigt oder oft schon lange verboten sind. Das zeigt eine neue Studie auf, die von der entwicklungspolitischen Organisation INKOTA, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und PAN Germany im Vorfeld der Bayer-Hauptversammlung am 27. April veröffentlicht wurde. Die Autor*innen nehmen insbesondere den Pestizid- und Wirkstoffmarkt in Südafrika, Brasilien und Mexiko genauer unter die Lupe und decken auf, welche Wirkstoffe die beiden deutschen Konzerne in diesen Ländern entwickeln, vermarktet haben und dies teils weiterhin über Umwege tun. Zudem verweisen sie auf die Gefahren, die diese Wirkstoffe für die Umwelt und die menschliche Gesundheit mit sich bringen. „Es ist ein Skandal, dass Pestizidwirkstoffe, die in der EU aus gutem Grund verboten sind, in Deutschland produziert und in Drittländer exportiert werden dürfen“, kritisiert Wiebke Beushausen vom INKOTA-netzwerk. „Wir brauchen einen sofortigen Exportstopp von hochgefährlichen Wirkstoffen aus Deutschland und der EU“, betont sie.
Die Recherchen ergaben, dass Bayer in der Vergangenheit insgesamt 22 extrem- bzw. hochgiftige Pestizidwirkstoffe entwickelt und/oder vermarktet hat. Sieben davon fallen in die Kategorie der extrem giftigen Stoffe (1A) der Weltgesundheitsorganisation WHO und 15 in die Kategorie der hochgiftigen Stoffe (1B). BASF hingegen hat drei hochgiftige Wirkstoffe (1B) entwickelt und/oder vermarktet. Hinzu kommen jeweils vier weitere Bayer- und BASF-Wirkstoffe, die langfristige Gesundheitsschäden hervorrufen können und in der EU verboten sind. Die beiden Konzerne sind also für insgesamt 33 Pestizidwirkstoffe verantwortlich, die eine akute Bedrohung für die menschliche Gesundheit darstellen. Viele dieser Wirkstoffe sind bereits bei geringer Dosierung tödlich, andere gelten als wahrscheinlich krebserregend, erbgutschädigend oder reproduktionstoxisch. Der Studie zufolge lassen sich in Brasilien, Mexiko und Südafrika mindestens acht dieser Wirkstoffe in den Produkt-Portfolios der beiden Unternehmen nachweisen. Dazu gehören u.a. das in der EU als reproduktionstoxisch eingestufte und seit 2018 nicht mehr erlaubte Herbizid Glufosinat sowie das Insektizid Spirodiclofen, das 2016 von der Europäischen Chemikalienagentur ECHA als krebserregend eingestuft und 2020 letztlich vom Markt genommen wurde. „Pestizidwirkstoffe, die in der EU wegen ihrer Giftigkeit verboten sind, dürfen nicht in der Welt verbreitet werden, nur weil damit einige wenige Agrarchemiekonzerne Kasse machen“, so Jan Urhahn, Agrarexperte der Rosa-Luxemburg-Stiftung. „Den Preis dafür bezahlen Bauern und Bäuerinnen sowie Landarbeiter*innen im globalen Süden mit ihrer Gesundheit.“
Auf dem südafrikanischen Markt bietet Bayer 54 eigene Produkte an. Darunter sind auch Produkte, die die in der EU verbotenen Wirkstoffe (Beta-)Cyfluthrin, Spirodiclofen und die als reproduktionstoxisch geltenden Wirkstoffe Triadimenol und Thiacloprid enthalten. Dabei hatte sich der Agrarchemiekonzern bereits im Jahr 2013 verpflichtet, Wirkstoffe der WHO-Kategorien 1A und 1B aus dem Portfolio zu nehmen. (Beta-)Cyfluthrin ist ein Wirkstoff des Bayer-Insektizids Tempo SC, das im großen Stil in den Weinanbauregionen der Provinz Westkap zum Einsatz kommt. (Beta-)Cyfluthrin ist bereits in geringer Dosierung tödlich und das Bayer-Produkt ist gesundheitsschädlich beim Einatmen und kann Haut-, Augen- und Schleimhautreizungen verursachen. Beim Mischen und Sprühen ist unbedingt Schutzausrüstung erforderlich. Doch die Realität auf den Weingütern sieht anders aus. Interviewte Landarbeiter*innen bezeichnen die Schutzkleidung als reine „Dekoration“. Sie sei zwar auf den meisten Farmen vorhanden, werde aber nur einen Tag vor einer Inspektion ausgehändigt und sei danach wieder zurückzugegeben. „In vielen Betrieben findet das Mischen der Pestizide ohne Schutzausrüstung statt, die Pestizide werden oft verschüttet und nicht fachgerecht entsorgt“, berichten die Autor*innen. Die Arbeiter*innen würden dazu angehalten, Etiketten von den Verpackungen zu entfernen, um Kontrollen zu erschweren. „Auf einigen Farmen werden Landarbeiter*innen selbst dann in die Weinberge geschickt, wenn gleichzeitig hochgefährliche Pestizide gesprüht werden“, betont Urhahn. Die Landarbeiter* innen klagten zudem über Husten, juckende Haut und Ausschlag. Die vermeintlich „sichere“ Anwendung von hochgefährlichen Pestiziden im globalen Süden sei eine Illusion, sagt Urhahn: „Den Konzernen ist das bekannt. Trotzdem nutzen sie die schwächeren Regulierungen in den Ländern des globalen Südens aus, um dort mit hochgefährlichen Pestiziden Gewinne auf Kosten von Mensch und Umwelt zu machen.“
Auch in Brasilien sind mindestens neun von Bayer und BASF entwickelte und/oder vermarktete Pestizidwirkstoffe auf dem Markt, die entweder von der WHO als akut toxisch (1B) oder von der EU als reproduktionstoxisch bzw. mutagen oder karzinogen (EU-Kategorie 1B) eingestuft werden. Die beiden Konzerne sind direkt am Verkauf von acht dieser Wirkstoffe beteiligt, indem sie die Wirkstoffe einerseits selbst über eigene Produkte vermarkten, oder wie im Fall von Fenamiphos andererseits den Wirkstoff an andere Unternehmen liefern. Der Studie zufolge liefert Bayer den Wirkstoff Fenamiphos nach Brasilien. „Dafür wird Fenamiphos von Bayer in Japan hergestellt und im Industriepark Belford Roxo im brasilianischen Bundesstaat Rio de Janeiro formuliert“, heißt es in der Studie. Die Fenamiphos-Produkte werden dann unter dem Namen NEMACUR vermarktet. Ende 2010 habe eine Repräsentanz des US-Unternehmens American Vanguard Corporation (AMVAC do Brasil) die Produktlinie NEMACUR von Bayer übernommen. So gelangt der ursprüngliche Bayer-Wirkstoff über die Pestizidprodukte dieses Herstellers nun weiterhin in Brasilien in Umlauf.
Die Herausgeber fordern die Bundesregierung auf, den Export von solchen Pestizidwirkstoffen aus Deutschland zu verbieten, die in der EU aus Gesundheits- oder Umweltschutzgründen verboten sind und sich für einen EU-weiten Exportstopp einzusetzen. „Dass die Bundesregierung trotz akuten Handlungsbedarfs nicht tätig wird, ist grob fahrlässig“, sagt Beushausen. „Die Doppelstandards im Handel mit Pestizidwirkstoffen sind symptomatisch für eine verantwortungslose Wirtschaftspolitik, die deutsche und europäische Exportinteressen über die Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten stellt.“ Zudem brauche es zunächst deutlich mehr Transparenz im globalen Wirkstoffhandel. Allzu oft gelänge es Konzernen, sich hinter dem Geschäftsgeheimnis zu verstecken. So sollten künftig detaillierte Angaben über Herkunft, Menge und Ziel sowohl von Pestizidprodukten als auch von Wirkstoffen, die Unternehmen in andere Länder exportieren, zur Verfügung stehen. Und auch auf globaler Ebene bestehe Handlungsbedarf, um den Konzerne Beine zu machen, sagt Autor Peter Clausing, Toxikologe bei PAN Germany: „Die freiwilligen Selbstverpflichtungen, sind oft nur leere Versprechen. Es braucht ein völkerrechtlich verbindliches, globales Produktions-, Lagerungs- und Exportverbot für hochgefährliche Pestizidwirkstoffe“, so Clausing. (ab)