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24.07.2019 |

Zehn Jahre Weltagrarbericht: Weiter wie bisher ist weiterhin keine Option!

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Broschüre: Zehn Jahre Weltagrarbericht

Die Botschaften des Weltagrarberichts haben sich in politischen Bekenntnissen und wissenschaftlichen Publikationen durchgesetzt, sind aber noch immer weit davon entfernt, die globale Agrar-, Handels- und Ernährungspolitik zu bestimmen. Dies ist das Fazit einer Publikation im Auftrag der bis Juli 2019 im EU- Parlament vertretenen Grünen-Politikerin und Bäuerin Maria Heubuch. „Weiter wie bisher ist keine Option“, lautete die Botschaft des „International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development“ (IAASTD), an dem mehr als 400 Expertinnen und Wissenschaftler aus aller Welt über vier Jahre arbeiteten und deren 2.500 Seiten starke Bestandsaufnahme landwirtschaftlichen Wissens 2009 offiziell veröffentlicht wurde. „Die Art und Weise, wie die Welt ihre Nahrung herstellt, muss sich radikal ändern und den Armen und Hungernden besser dienen, wenn die Menschheit mit einer wachsenden Bevölkerung und dem Klimawandel fertigwerden und gleichzeitig soziale Zusammenbrüche und Umweltzerstörung vermeiden will“, lautete ihr Fazit. In der Broschüre „Der Weltagrarbericht: 10 Jahre danach“ zieht Benedikt Haerlin, der an der Erstellung des Berichtes als Mitglied des IAASTD-Aufsichtsrates beteiligt war, ein Jahrzehnt später Bilanz zu Wirkung und Folgen des UN-Berichts. Er nimmt mehrere Folgeuntersuchungen und Publikationen unter die Lupe, die die Handschrift des Weltagrarberichts tragen oder diese weiterentwickelt haben.

„Viele der zentralen Botschaften, die der Weltagrarbericht erstmals als wissenschaftlichen Konsens formulierte, sind heute die tragenden Säulen des Bewusstseinswandels, der sich in der Wissenschaft und internationalen Gremien in Bezug auf die Herausforderungen der Landwirtschaft mehr und mehr durchsetzt“, schreibt Haerlin. Dazu gehört das Konzept der Agrarökologie, dem der Weltagrarbericht aus dem Nischendasein verhalf: Er erklärte es erstmals rein wissenschaftlich, betonte zugleich seinen transdisziplinären Charakter und sprach der Agrarökologie eine zentrale Rolle bei der Gestaltung einer nachhaltigen Landwirtschaft zu. „Es ist bemerkenswert, welch steile Karriere das Konzept der Agrarökologie seither in der agrarpolitischen und wissenschaftlichen Debatte gemacht hat“, heißt es in der Broschüre. Sogar die Welternährungsorganisation FAO hat sie mittlerweile zu einer ihrer Prioritäten gemacht. „Selbst wenn der Preis dieses Erfolges, wie zuvor bei vielen anderen Begriffen des Wandels, immer auch eine gewisse Verwässerung ist, hat das Konzept der Agrarökologie sich mittlerweile tief in Debatten über die Zukunft der Landwirtschaft in Zeiten von Klimawandel, Artensterben und Landflucht hineingegraben.“

„Kleinbäuerinnen und Kleinbauern machen den Unterschied“ war eine weitere zentrale Botschaft des IAASTD. Die Überwindung des Hungers mit nachhaltigen Mitteln werde weltweit nur mit Hilfe und unter aktiver Einbeziehung der Kleinbauern und -bäuerinnen der Welt gelingen. Haerlin zeigt auf, wie sich dies mittlerweile zur Mainstream-Auffassung entwickelte. „Die 500 Millionen Kleinbauern spielen eine zentrale Rolle für eine gerechte Versorgung und für die Armutsbekämpfung. Wenn diese Kleinbauern in das Wachstum im landwirtschaftlichen Sektor einbezogen werden können, steigen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln und die Einkommen, was wiederum Nachfrage nach lokalen Gütern und Dienstleistungen auslöst und so zu einer breit angelegten sozialen und ökonomischen Weiterentwicklung ländlicher Gebiete führt“, zitiert er aus dem Bericht der Deutsche Bank Research von 2009. Zahlreiche weitere Publikationen in den Folgejahren, z.B. der „Save and Grow“-Bericht der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO oder der Green Economy Report der Vereinten Nationen, rücken die entscheidende Rolle von Kleinbauern in den Fokus. Das 2. UN-Nachhaltigkeitsziel widmet kleinen Lebensmittelproduzenten ein eigenes Unterziel und auch andere SDGs spiegeln einen globalen Bewusstseinswandel in Bezug auf Fragen der Nachhaltigkeit in Landwirtschaft und Ernährung wider.

Haerlin betont jedoch auch, dass die Durchsetzung zwingender Erkenntnisse noch lange nicht zur praktischen Umsetzung deshalb unausweichlich erscheinender Handlungsnotwendigkeiten führt. „Vergleichen wir zentrale Parameter der Nachhaltigkeit von 2009 mit denen von 2019, müssen wir feststellen, dass die meisten von ihnen sich zum Schlechteren entwickelt haben.“ Bei der Bekämpfung des Hungers sind kaum substanzielle Fortschritte zu verzeichnen, beim Übergewicht hingegen massive Verschlimmerungen; der Klimawandel schreitet ungebremst voran; die Artenvielfalt und die Fruchtbarkeit der Böden schwinden. „Der Schlüssel, so bestätigen alle neueren Studien und Berichte, ist die Integration von Landwirtschaft, Gesundheit, Umwelt- und Naturschutz, ländlicher Entwicklung sowie mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, den Nationen und zwischen Arm und Reich“, so der Autor. Mit Blick auf die EU appelliert er an Parlament und Kommission, die anstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik mutig neu zu gestalten und die vom Weltagrarbericht empfohlenen und vielerorts weiterentwickelten Schritte zu unternehmen. „Auf keinem anderen Gebiet könnte die Europäische Union im Laufe des kommenden Jahres einen größeren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele von Paris, zur Bekämpfung von Hunger und Armut, zur Beteiligung der Jugend insbesondere im ländlichen Raum und nicht zuletzt zur Bekämpfung von ernährungsbedingten Krankheiten leisten“, betont Haerlin. „Weiter wie bisher ist keine Option!“ (ab)

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