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05.07.2018 | permalink
OECD-FAO: Stabile Agrarpreise, hohe Importabhängigkeit armer Länder
Die Agrarpreise werden in den nächsten zehn Jahren stabil bleiben, da die Weltbevölkerung nicht mehr so schnell wächst und der Pro-Kopf-Verbrauch der meisten Agrarrohstoffe stagniert. Viele ärmere Länder mit einer starken Bevölkerungszunahme und knappen natürlichen Ressourcen wie Ackerland oder Wasser werden verstärkt auf Lebensmittelimporte angewiesen sein, damit sie ihre Bürger ernähren können. Davon gehen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Welternährungsorganisation FAO aus, die am Dienstag ihren jährlichen Ausblick veröffentlichten.
Der OECD-FAO Agricultural Outlook 2018-2027 enthält Prognosen für alle wichtigen Agrarrohstoffe, Fisch und Biosprit. Ein Jahrzehnt nach dem sprunghaften Anstieg der Lebensmittelpreise in 2007 und 2008 hat sich die Lage auf den Agrarmärkten verändert. „Die Produktion ist bei allen Agrarrohstoffen stark gestiegen und erzielte 2017 Rekordwerte für die meisten Getreidesorten, Fleischarten, Milchprodukte und Fisch, während die Getreidevorräte zugleich ein Allzeithoch erreichten“, ist in der Zusammenfassung des Berichts zu lesen. Doch die Nachfrage steigt nicht mehr so schnell wie zuvor. Dies sei auf eine sinkende Nachfrage in den wichtigsten Schwellenländern, den stagnierenden Pro-Kopf-Verbrauch von Grundnahrungsmitteln und die langsamer wachsende Nachfrage nach Fleischprodukten zurückzuführen. Aber auch darauf, dass die Weltbevölkerung nicht mehr so schnell wachse. Aufgrund des großen Angebots, gut gefüllter Lager und einer weniger starken Nachfrage dürften die Lebensmittelpreise also in den nächsten Jahren stabil bleiben.
Der Bericht prognostiziert ein Wachstum auf den Agrarmärkten von 20% bis 2027, doch der Wert wird je nach Region stark variieren. Ein deutliches Wachstum wird in Entwicklungsländern mit schnell wachsenden Bevölkerungen erwartet, während in den reichen Regionen, vor allem in Westeuropa, die Produktionszuwächse niedriger ausfallen werden. Der Handel mit Agrargütern und Fisch wird voraussichtlich nur noch halb so schnell zunehmen wie noch in den letzten zehn Jahren. FAO und OECD rechnen mit steigenden Nettoexporten aus Staaten und Regionen, die viel Land zur Verfügung haben, vor allem auf dem amerikanischen Kontinent. In Ländern mit starkem Bevölkerungswachstum, vor allem im Nahen Osten und Nordafrika, Subsahara-Afrika und Asien, werden die Nettoimporte hingegen steigen. „Viele ärmere Länder mit wachsenden Bevölkerungen und begrenzten Landflächen werden zunehmend in Abhängigkeit geraten von Lebensmittelimporten, um die Menschen zu ernähren“, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría.
Die Nachfrage nach Fleischprodukten soll nicht mehr so stark wachsen wie bisher. „Einige Regionen mit niedrigem Einkommen, die aktuell einen geringen Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch haben, wie Subsahara-Afrika, werden dieses Niveau nicht bedeutend anheben können, da die Einkommen nicht ausreichend steigen“, betont der Bericht. „Einige Schwellenländer, vor allem China, haben bereits ein relativ hohes Niveau beim Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch erreicht. In Indien, wo die Einkommen stärker wachsen, schlägt sich dies aufgrund der Ernährungsgewohnheiten eher in einem steigenden Pro-Kopf-Verbrauch von Milchprodukten als von Fleisch nieder. Beim Biosprit scheint der Boom vorbei zu sein. FAO und OECD erwarten, dass die Nachfrage nach Getreide und Pflanzenöl für Biosprit sehr viel langsamer wachsen wird als in den letzten zehn Jahren, als der Boom mehr als 120 Millionen Tonnen Getreide zusätzlich einforderte, vor allem Mais. Die bestehende Politik in den Industrieländern unterstütze keine weitere Ausweitung der Biospritproduktion, daher werde eine steigende Nachfrage vor allem auf Schwellenländern zurückzuführen sein, von denen einige Gesetze zur Förderung von Biokraftstoffen verabschiedet haben.
Den steigenden Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker und pflanzlichen Ölen in Entwicklungsländern sehen die Organisationen mit Sorge. Die Urbanisierung wird dort zu einer höheren Nachfrage nach verarbeiteten Lebensmitteln und Fertiggerichten führen. „Veränderungen bei der konsumierten Lebensmittelmenge und der Zusammensetzung der Ernährung bedeuten, dass die dreifache Last von Unterernährung, Überernährung und Fehlernährung in den Entwicklungsländern weiter bestehen wird“, warnt der Bericht. Er ruft Staaten auch dazu auf, ihre Landwirtschaftssysteme nachhaltiger zu gestalten. „Die Grüne Revolution des letzten Jahrhunderts hat die Kapazitäten gesteigert, damit die Welt sich selbst ernähren kann, doch was wir jetzt brauchen ist eine Nachhaltigkeitsrevolution“, sagte FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva. „Dazu gehört, dass wir bei Landwirtschaftssystemen ansetzen müssen, die viel Inputs und Ressourcen benötigen und hohe Kosten für die Umwelt verursachen. Böden, Wälder, Wasser, die Luftqualität und die Biodiversität verschlechtern sich weiter. Wir müssen nun zu nachhaltigen und produktiven Ernährungssystemen übergehen, die uns gesunde und nahrhafte Lebensmittel liefern und zugleich die Umwelt und die Artenvielfalt bewahren.“ (ab)