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21.09.2016 | permalink
Billig hat seinen Preis: die externen Kosten der industriellen Landwirtschaft
Die industrielle Landwirtschaft hat ihren Preis: Würden die externen Kosten z.B. durch die Nitratbelastung des Trinkwassers aufgrund von Überdüngung oder den Antibiotikaeinsatz in der Intensivtierhaltung einkalkuliert, wäre der Preisunterschied zwischen ökologisch und konventionell produzierten Lebensmitteln deutlich geringer. Das geht aus einer neuen Studie hervor, die Wissenschaftler der Universität Augsburg im Auftrag des Aktionsbündnisses „Artgerechtes München“ erstellt und am 15. September auf einer Pressekonferenz in München vorgestellt haben. „Die Preise, die Verbraucher für Lebensmittel bezahlen, spiegeln deren wahre Kosten häufig nur unzureichend wider. Denn viele, insbesondere soziale, gesundheitliche und ökologische (Folge-)Kosten der Nahrungsmittelproduktion sind in den aktuellen (Markt)Preisen nur unzureichend oder oftmals gar nicht enthalten“, fassen die Autoren der Arbeitsgruppe „Märkte für Menschen” zusammen. Diese versteckten Kosten betreffen zum Beispiel die Nitrat-/Stickstoffbelastung: Bei der Düngung landwirtschaftlich genutzter Böden entstehen häufig reaktive Stickstoffüberschüsse, die dem Ökosystem, dem Klima und der Gesundheit des Menschen schaden. Die Folgekosten fallen häufig erst zeitlich versetzt an, weshalb es schwierig ist, sie dem Verursacher des Stickstoffproblems zuzuordnen – daher zahlt die Allgemeinheit. Die Wissenschaftler haben eine Kosten-Nutzen-Rechnung von Stickstoff in der deutschen Landwirtschaft aufgestellt: Kosten von 20,24 Milliarden für die menschliche Gesundheit, das Ökosystem und das Klima, z.B. für die Reinigung des Trinkwassers oder Gesundheitskosten durch Folgeerkrankungen, steht ein Nutzen für die Landwirtschaft von 8,71 Milliarden gegenüber. Unterm Strich entstehen externe Folgekosten von 11,53 Milliarden Euro pro Jahr. „Wenn Sie sich die gesamte Bruttowertschöpfung der deutschen Landwirtschaft ansehen, dann sind wir da bei 17,4 Milliarden. Das muss man einmal in Vergleich setzen, das ist eine ganz erhebliche Marktverzerrung aus ökonomischer Sicht“, äußerte Stephanie Weigel, Sprecherin des Bündnisses „Artgerechtes München“ gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Der Löwenanteil der externen Kosten fällt bei konventionell produzierten tierischen Lebensmitteln an, für pflanzliche Bioprodukte berechnet die Studie den geringsten „Stickstoff-Schadensfaktor“. Würden die Kosten verursachergerecht auf die Lebensmittelpreise aufgeschlagen, wäre Fleisch aus Massentierhaltung 9,7% teurer als bisher. „Wenn die Folgekosten, insbesondere der konventionellen Nutztierhaltung, auch weiterhin unzureichend Eingang in die Preise finden, fördert das die Überproduktion sowie den Konsum hieraus resultierender Nahrungsmittel“, fasst Dr. Tobias Gaugler von der Uni Augsburg zusammen. „Diese Form von Marktversagen lässt außerdem nachhaltig(er) erzeugte Lebensmittel teuer erscheinen und führt letztlich zu einem ökonomischen Wohlfahrtsverlust! Anders gesagt: Aus volkswirtschaftlicher Sicht handelt es sich um eine erhebliche Preis- und Marktverzerrung.“ Auch die Folgen des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung sind Gegenstand der Studie, unberücksichtigt bleiben Faktoren wie mit der Landwirtschaft verbundene Boden- bzw. Regenwaldverluste, CO2e-Emissionen und der Verlust der Biodiversität. „Daher stellen die hier vorgestellten Größenordnungen lediglich Untergrenzen der aktuell aus der Landwirtschaft resultierenden externen Effekte – und den damit verbundenen, kategoriespezifischen Fehlbepreisungen – dar“, betonen die Wissenschaftler. (ab)