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27.11.2015 | permalink
Jagd auf EU-Äcker: Flächenkonzentration bedroht bäuerliche Landwirtschaft
Europas Bauern verlieren den Boden unter den Füßen: Der Aufkauf großer Flächen durch Kapitalanleger und der damit einhergehende Prozess zunehmender Landkonzentration untergraben die bäuerliche Landwirtschaft und gefährden damit die Zukunft einer vielfältigen und nachhaltigen Bodenbewirtschaftung in Europa. Darauf macht eine neue Studie aufmerksam, die von der grünen Europa-Abgeordneten und Milchbäuerin Maria Heubuch am Freitag auf einer Veranstaltung in Berlin vorgestellt wurde. Moderne „Landjäger“ – so auch der Titel der Publikation – kaufen verstärkt Land in den EU-Staaten auf. Denn Boden ist ein knappes Gut, das in Zeiten historischer Niedrigzinsen als eine der wenigen sicheren Geldanlagen gilt und bei künftigen Preissteigerungen von Lebensmitteln und Rohstoffen hohe Gewinne verspricht. „Beim Schlagwort Landgrabbing denkt man in erster Linie an Afrika, an Korruption oder Palmölplantagen in Asien, doch die neue Jagd nach fruchtbaren Böden hat auch Europa erreicht“, betont Heubuch. „Land ist nicht mehr nur ein Produktionsfaktor, sondern eine Geldanlage, ein Spekulationsobjekt.“ Doch die beängstigende Beschleunigung der Konzentration landwirtschaftlicher Flächen in den Händen weniger, großer Agrarunternehmen und Holdings werde von der EU-Kommission bisher beschönigt und nicht einmal sauber dokumentiert. „Landübernahmen sehen in Europa anders aus als in Afrika, es geht mehr oder weniger mit rechten Dingen zu – nicht wie in Afrika und Asien, wo es um die Verletzung von Menschenrechten geht, um die Vertreibung vom Land“, erläutert Studienautor Benedikt Haerlin. Doch kleineren Betrieben und jungen Landwirten wird der Zugang zu Land fast unmöglich gemacht. Die Preise für landwirtschaftliche Nutzflächen haben sich in den letzten 10 Jahren in vielen Regionen der EU mehr als verdoppelt. In Deutschland stiegen sie im Schnitt von 8.692 Euro je Hektar im Jahr 2005 auf 18.099 Euro in 2014. Dabei klafft eine Spanne zwischen 9.430 Euro in Thüringen und 41.440 € in Bayern. Wer neu in die Landwirtschaft einsteigen will und nicht von den Eltern erbt, hat kaum noch eine Chance, Land zu erwerben – erst recht nicht im Wettstreit mit großen Agrarbetrieben wie KTG Agrar und Konsorten. Der prozentuale Anteil des Pachtlandes an der landwirtschaftlichen Fläche schreitet in Europa seit Langem stetig voran. Das heißt der größte Teil des Landes gehört nicht jenen, die es bearbeiten. In Deutschland sind 70% der landwirtschaftlichen Flächen Pachtland. Ob das Land einem Bauer selbst gehört oder ob er alle paar Jahre fürchten muss, sein Land zu verlieren, wirkt sich auch auf die Art der Bewirtschaftung aus, berichtet Heubuch aus ihrer eigenen Erfahrung als Landwirtin. Angesichts der zunehmenden Landkonzentration bestehe akuter Handlungsbedarf. „Die Landfrage und Landbesitz werden entscheiden, wie die Landwirtschaft der Zukunft aussieht, denn Land ist nicht nur die ökonomische Grundlage der Bauern, sondern die Lebensgrundlage aller Menschen.“ Antworten auf den Klimawandel, das Artensterben, Bodenfruchtbarkeit, Ressourcenverknappung, Nutzungskonkurrenz, auf Migration und Flucht, die daraus folgen, betreffen alle auch Grundeigentumsfragen. (ab)