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22.03.2021 |

UN-Bericht: Wasser muss ein höherer Stellenwert zukommen

Wasser
Wasser - nicht wegzudenken aus der Landwirtschaft (Foto: CC0)

Es mangelt vielfach an Bewusstsein für den wahren Wert von Wasser, wodurch die kostbare Ressource weltweit viel zu oft als selbstverständlich angesehen, privatisiert, verschmutzt und verschwendet wird. Darauf macht der Weltwasserbericht 2021 aufmerksam, der anlässlich des Weltwassertages am 22. März veröffentlicht wurde. Der von der UNESCO im Auftrag der Vereinten Nationen verfasste Bericht betont, dass Wasser einen höheren Stellenwert erhalten müsse – und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis. Denn genau hier bestehe ein Missverhältnis: Es sei zwar das Bewusstsein vorhanden, dass sauberes Wasser die Grundlage für Gesundheit, Hygiene, Landwirtschaft und Industrie ist und sicheres Wasser und sanitäre Dienstleistungen ein Menschenrecht sind, doch im politischen Alltag fehlen Aufmerksamkeit und Investitionen für die Ressource. „In Sonntagsreden sind wir uns über den Wert des Wassers einig, im Alltag vergessen wir ihn. Man kann die Bedeutung von Wasser eben nicht mit dem Preis der Bereitstellung für Industrie, Landwirtschaft und Haushalte gleichsetzen. Vor allem muss auch berücksichtigt werden, welchen Wert Wasser für Ökosysteme und damit als menschliche Lebensgrundlage hat. Eine echte Transformation ist erforderlich“, fordert Ulla Burchardt, Vorstandsmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission. Das sei besonders wichtig vor dem Hintergrund von zunehmender Wasserknappheit, Bevölkerungswachstum und Klimawandel.

Der Bericht betont die Notwendigkeit, unsere Vorstellung vom „Wert“ von Wasser auszuweiten und ihn nicht mit „Preis“ oder „Kosten“ zu verwechseln. “Im herkömmlichen wirtschaftlichen Rechnungswesen, das für politische Entscheidungen oft die Grundlage bildet, wird der Wert von Wasser meist nur begrenzt anerkannt, da er häufig wie bei den meisten anderen Produkten durch die bei wirtschaftlichen Transaktionen anfallenden Preise und Kosten ermittelt wird“, heißt es in der deutschen Zusammenfassung des Berichts. „Im Fall von Wasser ist die Beziehung zwischen Preis und Wert jedoch alles andere als klar. Der den Verbrauchern in Rechnung gestellte Preis, falls es überhaupt einen Preis gibt, spiegelt meist den Versuch einer Kostendeckung wider, nicht den gelieferten Wert.“ Daher müssten umfassendere Ansätze der Bewertung entwickelt werden, die auch soziale und kulturelle Dimensionen einbeziehen. Das Defizit aktueller Werkzeuge und Methoden basiere oft auf dem rein ökonomischen Aspekt, doch dies hat den Nachteil, dass andere Aspekte oft unterschätzt oder gar außen vorgelassen werden, die schwer zu beziffern sind. „Wie können wir die Bedeutung von 443 Millionen Schultagen quantifizieren, die aufgrund von mit Wasser in Verbindung stehenden Krankheiten jedes Jahr verpasst werden?“, lautet eine der aufgeworfenen Fragen im Bericht. Der Weltwasserbericht wirbt daher dafür, den Wert von Wasser mit neuen Methoden zu bemessen, um eine bessere Grundlage für konkrete politische Entscheidungen zu erhalten.

Der Bericht stellt aktuelle Methoden und Ansätze zur Bewertung von Wasser in fünf miteinander verbundenen Perspektiven gruppiert vor: (1) Die Bewertung von Umwelt, Natur und Ökosystemen als Quelle von Wasser; (2) die Bewertung wasserwirtschaftlicher Infrastruktur, (3) die Bewertung von Wasserversorgung, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH), (4) von Wasser für Ernährung und Landwirtschaft, Energie, Industrie und Gewerbe und (5) weitergehende soziokulturelle Werte von Wasser. Im Kapitel zu Ernährung und Landwirtschaft wird zunächst auf die Bedeutung von Wasser für diesen Bereich hingewiesen. Im weltweiten Schnitt verbraucht die Landwirtschaft 69% der Wasservorräte aus Flüssen, Seen und Grundwasserleitern. Da die Weltbevölkerung weiter wächst, bräuchte es bei unveränderten Trends 50% mehr Bewässerung in der Landwirtschaft bis 2050, doch dafür fehlt das Wasser. Vielerorts wird Wasser zudem ineffizient genutzt - einer der Hauptgründe für Umweltzerstörung, die sich in der Erschöpfung von Grundwasserleitern, der Verringerung des Abflusses von Flüssen, der Zerstörung von Lebensräumen für Wildtiere und Schadstoffbelastung niederschlage. Daher ist in der Landwirtschaft eine viel effizientere Wassernutzung nötig als bisher, was gerade auch eine andere Bewertung von Wasser erforderlich macht.

Dem Bericht zufolge gibt es verschiedene Bewirtschaftungsoptionen, um die vielfältigen Werte von Wasser für die Nahrungsmittelproduktion zu maximieren. Als Beispiele nennen die Autor*innen eine bessere Bewirtschaftung von regengespeisten Anbauflächen, die Bereitstellung von Wasser gerade aus naturnahen und nicht-konventionellen Quellen für die Bewässerung, die Verbesserung der Wassernutzungseffizienz, die Reduzierung der Nachfrage nach Nahrungsmitteln und des damit verbundenen Wasserverbrauchs sowie die Verbesserung des Wissens und des Verständnisses der Wassernutzung für die Nahrungsmittelproduktion. „Höhere Wassersicherheit für die Nahrungsmittelproduktion sowohl in regengespeisten als auch in bewässerten Systemen kann (…) dazu beitragen, Armut zu mindern und Geschlechtergleichstellung zu erreichen“, heißt es in der Zusammenfassung. „Zu den direkten Wirkmechanismen gehören höhere Erträge, ein geringeres Risiko von Ernteausfällen und eine größere Vielfalt des Anbaus, höhere Löhne durch verbesserte Beschäftigungsmöglichkeiten sowie vor Ort eine stabile Nahrungsmittelproduktion und -preise.“ Höhere, stabilere Einkommen tragen dazu bei, den Bildungserfolg und die Fähigkeiten von Frauen zu verbessern und damit ihre aktive Teilhabe an Entscheidungsprozessen zu fördern, so der Bericht. (ab)

19.03.2021 |

Klimaschutz: 450 NGOs fordern Stopp des EU-Mercosur-Abkommens

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Stoppt die Sojawüsten (Foto: CC0)

Am 19.3. ist globaler Klimastreik angesagt und die Bewegung Fridays For Future und Menschen weltweit protestieren wieder für mehr Klimaschutz. Doch schon im Vorfeld erhoben Nichtregierungsorganisationen ihre Stimme gegen einen Deal, der fatale Folgen für das Klima haben könnte: das geplante Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten. Ein Bündnis aus rund 450 europäischen und südamerikanischen Organisationen rief am Montag dazu auf, den Vertrag zu stoppen. „Die Ziele und Kernelemente dieses Abkommens stehen in direktem Widerspruch zu Klimaschutz, Ernährungssouveränität und der Wahrung von Menschenrechten und Tierschutz“, warnen sie in ihrer Erklärung „Stopp EU-Mercosur“. Am Montag fand zudem eine Protestaktion vor der Brasilianischen Botschaft in Berlin statt, bei der Vertreter*innen einiger der Organisationen mit Plakaten, Trecker und Sojaschrotsäcken auf die negativen Auswirkungen für Mensch und Umwelt aufmerksam machten, die das Abkommen mit sich bringen würde. Ein zentrales Ziel des Mercosurs ist es, die Importe von Fleisch, Soja und Ethanol in die EU zu erhöhen, während im Gegenzug die Exportbedingungen für die deutsche Automobilindustrie verbessert werden sollen. „Das EU-Mercosur-Abkommen ist ein Paradebeispiel für Klimazerstörung. Wer Autos für Rindfleisch tauscht, verdrängt Artensterben, Klimakrise und Menschenrechtsverletzungen“, kritisiert Ludwig Essig vom Umweltinstitut München.

Das geplante EU-Mercosur-Abkommen steht schon seit Langem auf beiden Seiten des Atlantiks in der Kritik. Nach mehr als zwei Jahrzehnten Verhandlungen hatten sich im Sommer 2019 die Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay und die EU auf ein Freihandelsabkommen geeinigt, mit dem Zölle in Höhe von mehr als 4 Milliarden Euro pro Jahr wegfallen sollten. Zunächst müssen aber die EU-Regierungen und nationalen Parlamente die von der EU-Kommission ausgehandelte Einigung billigen. Doch hier werden Zweifel und Kritik laut, vor allem angesichts der problematischen Haltung von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro zu Klimaschutz und Menschenrechten und der Bilder von Brandrodungen im Amazonas. Österreich hat bereits sein Veto eingelegt, da das Freihandelsabkommen im Widerspruch zu den Zielen des Green Deal der EU und des Pariser Klimaabkommens stehe, und Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler bekräftigte dies Anfang März in einem Brief an die portugiesische EU-Präsidentschaft. Diese hingegen will die Ratifizierung des Abkommens bis Ende Juni abschließen.

Die Organisationen aus den Mercosur-Staaten und der EU, darunter auch knapp 50 Organisationen aus Deutschland, fordern dagegen einen Stopp des Handelsabkommens. Es gehöre zu einer überholten Handelspolitik des 20. Jahrhunderts, das den Planeten zerstört, und diene Konzerninteressen auf Kosten der planetarischen Grenzen, unhaltbarer sozialer Ungleichheiten und des Tierschutzes, erklären sie. Die NGOs befürchten, dass das Freihandelsabkommen die Artenvielfalt des Amazonas, des Cerrado und des Gran Chaco weiter beeinträchtigen wird. Wenn mehr Fleisch, Soja und Ethanol in die EU exportiert wird, drohe eine weitere Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes, der bereits jetzt durch Brände und Abholzungen bedroht ist. Doch nicht nur die Wälder sind in Gefahr: „Das Handelsabkommen wird sowohl in Europa als auch in Südamerika Lebensgrundlagen zerstören und Kleinbauernfamilien und Arbeiter in die Knie zwingen“, heißt es in der Erklärung. „Es erhöht den Handel mit Agrarrohstoffen auf der einen und den Handel mit umweltschädlichen Autos auf der anderen Seite, und stellt daher eine unmittelbare Bedrohung für Arbeitsplätze in den Mercosur-Ländern dar. Es führt die Pfadabhängigkeit der südamerikanischen Volkswirtschaften als billige Exporteure von Rohstoffen fort, die durch die Zerstörung lebenswichtiger natürlicher Ressourcen gewonnen werden, anstatt die Entwicklung gesunder, diversifizierter und widerstandsfähiger Ökonomien zu fördern.“

Die Organisationen warnen auch, dass die Ratifizierung des Abkommens ein verheerendes politisches Signal aussenden würde, dass schreckliche Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit den Lieferketten, die in diesem Abkommen angelegt sind, akzeptabel seien. Sven Hilbig, Handelsexperte von Brot für die Welt, fürchtet, dass das EU-Mercosur-Abkommen die Menschenrechtslage in Brasilien noch weiter verschärfen würde. „Besonders betroffen wären Indigene und Kleinbauern, die durch die Regierung Bolsonaro vertrieben werden, um Platz für Sojaanbau und Rohstoffausbeutung zu schaffen.“ Er verweist darauf, dass nach Einschätzung der Vereinten Nationen Menschenrechte in Brasilien bereits jetzt systematisch durch die Regierung Bolsonaro mit Füßen getreten werden. „Wenn die Friedensnobelpreisträgerin EU eine wertegeleitete Handelspolitik verfolgen will, darf dieses Abkommen nicht zustande kommen.“ Laut einer EU-weiten repräsentativen Umfrage von September 2020 sieht das offenbar auch die Mehrheit der Bevölkerung so: 75% der von YouGov Befragten äußerten, dass der Deal gestoppt werden müsse, wenn er zu Abholzungen und Umweltzerstörung führe. (ab)

12.03.2021 |

Bericht: Konzerne umgehen Verbot von Patenten auf konventionelle Züchtung

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Ein kostbares Gut (Foto: CC0)

Saatgutkonzerne umgehen weiterhin das Verbot der Patentierung konventionell gezüchteter Pflanzen und Tiere, indem sie Schlupflöcher im europäischen Patentrecht geschickt ausnutzen. Das zeigt ein neuer Bericht des Bündnisses „Keine Patente auf Saatgut!“, der am 11. März in Berlin dem Bundesministerium für Justiz übergeben wurde. Und es ist nicht der erste Bericht, der diese Praxis dokumentiert.

Die Mitgliedsorganisationen forderten Bundesjustizministerin Christine Lambrecht auf, endlich Maßnahmen gegen die Patentierung von Pflanzen und Tieren zu ergreifen, wie dies im Koalitionsvertrag angekündigt wurde. „Patente auf Pflanzen und Tiere lehnen wir ab“, heißt es dort unmissverständlich. „In Europa sind Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere verboten. Eine entsprechende Regelung wurde 2020 von der Großen Beschwerdekammer, der höchsten rechtlichen Instanz des EPA, bestätigt“, heißt es in der Pressemitteilung von „Keine Patente auf Saatgut!“. Doch bei der Umsetzung dieser Verbote gebe es erhebliche Probleme: „Nach der gegenwärtigen Praxis werden auch Pflanzen mit zufälligen genetischen Veränderungen als patentierbare Erfindungen angesehen. Es gibt bereits zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie rechtliche Schlupflöcher dazu genutzt wurden, um Patente auf Gerste und Bier, auf Melonen oder auch auf Salat aus konventioneller Züchtung zu erteilen.“

Für den neuen Bericht wurden Patentanträge auf Pflanzen im Bereich der konventionellen Züchtung unter die Lupe genommen, die bei der WIPO (Weltorganisation für geistiges Eigentum) gestellt und 2020 veröffentlicht wurden. Die Patente könnten vom Europäischen Patentamt (EPA) in den nächsten Jahren erteilt werden – unter anderem Patente auf Gurken, Tomaten, Brokkoli, Weizen, Sojabohnen und Melonen. Die Anträge kamen von großen Saatgutkonzernen wie BASF, KWS und Corteva (DowDupont). In den Patentanträgen werden die Grenzen zwischen konventioneller Züchtung und gentechnischen Eingriffen systematisch verwischt, beklagt „Keine Patente auf Saatgut!“. Patente, die auf gentechnisch veränderte Pflanzen (oder Tiere) erteilt werden, können sich so auch auf Pflanzen und Tiere erstrecken, die aus konventioneller Züchtung stammen und vergleichbare züchterische Eigenschaften aufweisen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass in den letzten 10 Jahren rund hundert Patentanträge pro Jahr angemeldet wurden, die die konventionelle Züchtung betreffen. Aus den Zahlen zu Patenterteilungen im Bereich der Biotechnologie könne man ableiten, dass rund 30-50 Prozent der Anträge bewilligt werden, heißt es in der deutschen Zusammenfassung der Recherche. Einige dieser Patente könnten einige Dutzend oder auch über hundert Pflanzensorten betreffen.

„In Europa sind schon jetzt über tausend Sorten von entsprechenden Patenten betroffen. Werden diese Patente nicht gestoppt, kann das schwerwiegende Auswirkungen für Züchtung, Landwirtschaft und VerbraucherInnen haben“, sagt Christoph Then für „Keine Patente auf Saatgut!“. Die Patentinhaber können den Zugang zu den Pflanzen kontrollieren und behindern, der für die weitere Züchtung benötigt wird. Die Politik muss jetzt die Gefahr für die Zukunft unserer Ernährung abwenden.“ Auch Katherine Dolan von Arche Noah warnt: „Die Patentierung verschafft globalen Konzernen Monopolrechte auf die Grundlagen unserer Lebensmittel. Wenn es so weitergeht, werden bald nur wenige Konzerne bestimmen, was wir anbauen, kaufen und letztendlich essen dürfen und zu welchem Preis.“ Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), sieht die Bundesregierung in der Pflicht, nun endlich zu handeln. „Es ist Aufgabe der Politik, für klare Regeln zur Einhaltung der bestehenden Verbote zu sorgen. Die Bundesregierung hat nur noch wenige Monate Zeit, um hier im Sinne des Koalitionsvertrages für mehr rechtliche Klarheit zu sorgen“ und darauf hinzuwirken, die rechtlichen Schlupflöcher zu stopfen. „Konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere dürfen nicht länger patentiert werden!“, fordert Janßen. (ab, www.weltagrarbericht.de)

08.03.2021 |

Gleichberechtigung ist Schlüssel zur Ernährungssicherheit

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Doppelbelastung für Frauen in der Landwirtschaft (Foto: CC0)

Ohne die Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen wird es bei der Hungerbekämpfung kaum Fortschritte geben. Ernährungsunsicherheit und Hungersnöte werden weiter bestehen und die Erholung von den Folgen der COVID-19-Pandemie wird ungleich ausfallen, wenn nicht mehr Frauen in ländlichen und städtischen Gebieten an Führungspositionen mit größerer Entscheidungsgewalt gelangen. Dies ist die Botschaft der drei UN-Ernährungsorganisationen anlässlich des Internationalen Frauentags. Das diesjährige Motto lautet entsprechend „Frauen in Führungspositionen: Das Erreichen einer gleichberechtigten Zukunft in einer COVID-19-Welt“. Die Leiter der Welternährungsorganisation (FAO), des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) und des Welternährungsprogramms (WFP) betonen, dass die COVID-19-Pandemie Frauen überproportional stark getroffen hat und bereits bestehende Verwundbarkeiten verschärft hat, da viele Frauen aufgrund der Krise geringere wirtschaftliche Möglichkeiten haben und schlechteren Zugang zu nahrhaften Lebensmitteln, während gleichzeitig ihre Arbeitsbelastung gestiegen und geschlechtsspezifische Gewalt eskaliert ist. Die Stärkung von Frauen und Bäuerinnen ist daher wichtig, damit sie zur Erholung von der Pandemie beitragen können und es gelingt, Armut zu bekämpfen, die Produktivität zu steigern und die Ernährungssicherheit zu verbessern. „Frauen und Mädchen können eine entscheidende Rolle bei der Reaktion auf die COVID-19-Pandemie und insbesondere bei der Umgestaltung unserer Agrar- und Ernährungssysteme spielen“, sagte FAO-Generaldirektor QU Dongyu. „Wir müssen alle zusammenarbeiten, um die notwendigen Veränderungen anzustoßen, um Frauen und Mädchen zu stärken, gerade in ländlichen Gebieten.“

Ernährungssicherheit und Geschlechterungleichheit sind eng mit bereits im Kindesalter einsetzenden Benachteiligungen verbunden. In vielen Ländern erleben Jungen und Mädchen eine ganz unterschiedliche Kindheit, mahnen die UN-Organisationen. Jungen essen zuerst, bekommen mehr auf den Teller als ihre Schwestern, helfen weniger im Haushalt mit und heiraten später. Viele Mädchen werden schon in einem Alter verheiratet, in dem sie eigentlich noch die Schulbank drücken sollten. „Auf der Welt leben mehr als 1,1 Milliarden Mädchen unter 18 Jahren, die das Potenzial haben, die größte Generation von weiblichen Führungspersönlichkeiten, Unternehmerinnen und Verändererinnen zu werden, die je die Chance hatte, sich für eine bessere Zukunft einzusetzen. Dennoch sind Frauen und Mädchen nach wie vor mit hartnäckigen strukturellen Einschränkungen konfrontiert, die sie daran hindern, ihr Potenzial voll zu entfalten, und sowohl ihr Leben zu verbessern als auch in ihren Haushalten und Gemeinden positive Veränderungen zu bewirken“, so QU Dongyu weiter. „Aus unserer Arbeit auf der ganzen Welt wissen wir, dass die Hungerraten sinken, wenn Frauen und Mädchen einen besseren Zugang zu Informationen, Ressourcen und wirtschaftlichen Möglichkeiten erhalten und ihre eigenen Entscheidungen selbstbestimmt treffen können, und sich die Ernährung nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Familien, Gemeinden und Länder verbessert“, erklärt David Beasley, Exekutivdirektor des Welternährungsprogramms.

Mehr Mitbestimmung für Frauen ist besonders wichtig in ländlichen Gebieten in den Entwicklungsländern, wo die Stimmen der 1,7 Milliarden Frauen und Mädchen, die dort leben, oft überhört werden. 60% der Frauen in Südasien und Subsahara-Afrika arbeiten in der Landwirtschaft, doch sie haben weniger Zugang zu Ressourcen und Dienstleistungen als Männer – sei es zu Land, Finanzen, Schulungen, Betriebsmitteln oder Ausrüstung. Untersuchungen zufolge könnten Landwirtinnen, wenn sie den gleichen Zugang zu produktiven Ressourcen hätten wie Männer, die Erträge um 20 bis 30% und die gesamte landwirtschaftliche Produktion um 2,5 bis 4% steigern. Diese Menge würde ausreichen, um 100 bis 150 Millionen hungernde Menschen zu ernähren. Zusätzlich zu ihrer landwirtschaftlichen Arbeit tragen Frauen auch die Last der Hausarbeit und sind für die Versorgung ihrer Familien verantwortlich – Aufgaben, die während der COVID-19-Pandemie noch zugenommen haben. Zugleich sind Frauen stärker von den sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffen. Viele haben ihre Existenz verloren oder ihr Einkommen hat sich drastisch verringert. „Es ist daher entscheidend, in Frauen auf dem Land zu investieren und sich dafür einzusetzen, dass sie eine führende Rolle spielen und stärker in die Gestaltung der Zeit nach der Pandemie einbezogen werden, damit ihre Perspektiven und Bedürfnisse angemessen berücksichtigt werden“, sagt IFAD-Präsident Gilbert F. Houngbo. Nur so sei es möglich, bessere Lebensmittelsysteme aufzubauen, in denen es einen gleichberechtigten Zugang zu nahrhaften Lebensmitteln und eine angemessene Existenzgrundlage für alle gebe. (ab)

19.02.2021 |

Bio boomt: Anbaufläche, Zahl der Betriebe und Nachfrage wächst

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Bio befindet sich im Aufwind (Foto: CC0)

Die Nachfrage nach Bioprodukten und die ökologisch bewirtschaftete Fläche steigt – in Deutschland und weltweit. Das zeigen neue Zahlen, die auf dem Mitte Februar virtuell stattfindenden Branchentreffen BIOFACH präsentiert wurden. Rund um den Globus wurden 2019 mehr als 72,3 Millionen Hektar Land ökologisch bewirtschaftet – ein Anstieg um 1,6% gegenüber dem Vorjahr. Das zeigt der Bericht „The World of Organic Agriculture“, der vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL und IFOAM – Organics International veröffentlicht wurde. Ausgewertet wurden Daten zum Ökolandbau in 187 Ländern. Die Bioanbaufläche nahm demnach 2019 um 1,1 Millionen Hektar zu. Das Länder-Ranking führt Australien mit einer absoluten Bioanbaufläche von 35,7 Millionen Hektar an, danach kommen Argentinien und Spanien mit 3,7 bzw. 2,4 Millionen Hektar. Die Hälfte der ökologisch bewirtschafteten Fläche (35,9 Millionen Hektar) liegt aufgrund des Spitzenreiters Australien in Ozeanien, gefolgt von Europa mit 16,5 Millionen (23%) und Lateinamerika mit 8,3 Millionen Hektar (11%). In allen Regionen nahm die Biolandwirtschaftsfläche zu mit Ausnahme von Asien, wo ein Flächenrückgang in China verzeichnet wurde.

Beim weltweiten Anteil des Ökolandbaus ist mit 1,5% natürlich noch deutlich Luft nach oben, doch einige Länder sind schon deutlich weiter: Liechtenstein liegt mit einem Bioanteil von 41% an der Gesamtfläche an der weltweiten Spitze vor Österreich (26,1%), São Tomé und Príncipe (24,9%), Estland (22,3%) und Schweden (20,4%). Die Spitzenposition haben einige der Länder vor allem auch einem hohen Anteil an ökologisch bewirtschaftetem Dauergrünland zu verdanken. Bei der ökologisch bewirtschafteten Ackerfläche liegt in Europa in absoluten Zahlen Frankreich vorne mit 1,3 Millionen Hektar, gefolgt von Italien mit 1 Million Hektar und Deutschland mit 700.000 Hektar. Weltweit gab es dem Bericht zufolge 2019 rund 3,1 Millionen Bioproduzenten. Davon sollen 1,36 Millionen in Indien, 210.353 in Uganda und 203.602 in Äthiopien leben. Die Autorinnen und Autoren verweisen jedoch darauf, dass die genauen Zahlen schwer zu ermitteln sind, da einige Länder nur die Anzahl der Unternehmen, Projekte oder Erzeugergemeinschaften melden, die jeweils viele einzelne Produzenten umfassen können, sodass die Gesamtzahl noch höher sein könnte. Etwa 51% der Bioproduzentinnen und -produzenten leben in Asien, während 27% in Afrika und 14% in Europa ackern.

Der globale Markt für Bioprodukte wird für 2019 auf umgerechnet 106 Milliarden Euro geschätzt. Hier sind die USA führend mit einem Umsatz von 44,7 Milliarden Euro, gefolgt von Deutschland mit 11,9, Frankreich mit 11,3 und China mit 8,5 Milliarden Euro. Der französische Markt für Bioprodukte legte am stärksten zu mit einem Plus von 13,4%. Den höchsten Anteil an Bioprodukten am Gesamtmarkt hingegen hat Dänemark mit 12,1%. In der Schweiz betrug der Marktanteil 10,4% und in Österreich 9,3%. Die Dänen und Schweizer griffen für Biolebensmittel am tiefsten in die Tasche mit 344 bzw. 338 Euro in 2019. „Das Jahrbuch spiegelt das weltweite Vertrauen der Menschen in den biologischen Landbau und dessen Bedeutung für die Ernährung, die Umwelt und eine nachhaltige Entwicklung herausragend wider“, sagte Knut Schmidtke, Direktor für Forschung, Extension & Innovation bei FiBL Schweiz. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie bilden die Zahlen noch nicht ab, doch COVID-19 hat in vielen Ländern zu einem deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Bioprodukten geführt. „Wir erwarten, dass wir die Auswirkungen der Pandemie auf den Biosektor mit den Daten für 2020 sehen, die in einem Jahr vorliegen werden“, sagt Helga Willer, die für FiBL die Herausgabe des statistischen Jahrbuchs verantwortet.

Aktuellere Zahlen liefert der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) bereits für Deutschland. Hier vergrößerte sich die Öko-Fläche im Jahr 2020 um 84.930 Hektar auf 1.698.764 Hektar Biofläche – ein Zuwachs von 5,3% gegenüber 2019. In den letzten 5 Jahren haben mehr als 8.000 Betriebe hierzulande auf Bio umgestellt. Mittlerweile gibt es 35.413 Höfe in Deutschland, die ökologisch wirtschaften. Aktuell werden 10,2% aller Landwirtschaftsflächen von Bio-Bauern beackert. „Der Blick auf 2020 und die vergangenen Jahre zeigt: Das 25%-Bio-Ziel, das sich die EU bis 2030 mit der Farm to Fork-Strategie gesetzt hat, ist erreichbar“, sagte der BÖLW-Vorsitzende Felix Löwenstein. Damit in Zukunft genügend Unternehmen die Bio-Chance nutzen können, müsse die Politik die Signale aber entschieden auf Nachhaltigkeit stellen. Seitens der Verbraucher fiel das Signal in Coronazeiten deutlich aus: Der Bio-Markt wuchs 2020 auf insgesamt 14,99 Milliarden Euro – ein Plus von 22% gegenüber dem Vorjahr. Öko legte ungefähr doppelt so stark zu wie der Lebensmittelmarkt insgesamt. Der Bio-Anteil am gesamten Lebensmittelmarkt erhöhte sich 2020 vorläufigen Zahlen zufolge auf 6,4 %. Trotz der positiven Entwicklungen mahnt der BÖLW, dass immer noch viel zu tun sei, um den notwendigen Umbau der Landwirtschaft voranzubringen und all jenen Planungssicherheit zu geben, die sich für eine Umstellung auf Bio entscheiden. „Besonders bei der EU-Agrarpolitik, die mit Milliarden Euro bestimmt, welche Landwirtschaft sich lohnt, braucht es einen Kurswechsel. Mindestens 70% der Gelder müssen in freiwillige Umweltleistungen der Bäuerinnen und Bauern investiert werden“, fordert Löwenstein. (ab)

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