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26.04.2019 | permalink
Regenwaldfläche so groß wie England 2018 abgeholzt
Weltweit wurden 2018 rund 12 Millionen Hektar tropischer Regenwald abgeholzt – eine Fläche so groß wie England. Das zeigen neue Daten der University of Maryland, die am 25. April auf der Online-Plattform „Global Forest Watch“ veröffentlicht wurden. Jede Minute geht Wald im Umfang von 30 Fußballfeldern verloren. Seit Beginn der Erhebung der Satellitendaten in 2001 wurde nur in drei Jahren noch mehr abgeholzt als letztes Jahr. Hauptverursacher der Waldzerstörung sind Viehzucht und Landwirtschaft. In Asien und Afrika ist es vor allem die Palmölproduktion, in Südamerika der Anbau für die Produktion von Biosprit und von Soja als Futtermittel. Aber auch Bergbau, Infrastrukturprojekte oder Brände sind für den Verlust verantwortlich. Besonders alarmierend sei die Abholzung von 3,6 Millionen Hektar Primärregenwald, eine Fläche von der Größe Belgiens, da die alten Wälder mehr Kohlenstoff speichern als junge und eine wichtige Rolle für die Artenvielfalt spielen. Erstmals seien Eingriffe in den bislang unberührten natürlichen Regenwald dokumentiert, der teils sogar jahrtausendealte Bäume enthalte, sagte Forschungsgruppenleiterin Mikaela Weisse den Nachrichtenagenturen APA/AFP. Trotz des Bekenntnisses von immer mehr Regierungen und Unternehmen zu einem Entwaldungs-Stopp brach die Abholzung von Primärregenwäldern 2016 und 2017 alle Rekorde und war auch 2018 hoch.
Global Forest Watch betont, dass sich der Verlust primärer Regenwälder je nach Land unterscheidet. Der traurige Spitzenreiter war 2018 Brasilien, gefolgt von der Demokratischen Republik Kongo und Indonesien. Während 2002 noch 71% der Abholung tropischer Regenwälder auf das Konto von nur zwei Ländern ging (Brasilien und Indonesien), zeigen die jüngsten Daten eine Kehrtwende. Brasilien und Indonesien waren 2018 „nur“ für 46% des Verlustes von Primärregenwald verantwortlich, während andere Länder aufholten. In Brasilien gingen dennoch 1,34 Millionen Hektar Primärwald verloren. Als Haupttreiber werden Aktivitäten wie Viehzucht, Bergbau und die Sojaproduktion angegeben. Der Wert lag unter den auch brandbedingten Spitzenwerten für 2016-2017, aber war höher als zwischen 2007 und 2015, als die Entwaldungsrate um 70% zurückging. Die Forschungsgruppe berichtet auch, dass mehrere der Abholzungs-Hotspots vor allem in der Nähe und in indigenen Gebieten liegen. Im Ituna-Itata-Reservat wurden etwa in der ersten Jahreshälfte 2018 mehr als 4.000 Hektar illegal abgeholzt, mehr als doppelt so viel, wie 2002 bis 2017 insgesamt dort verloren gingen. Es sei noch zu früh, um abzuschätzen, wie sich die Verwässerung der Umweltgesetze unter der neuen Regierung auf den Waldverlust auswirken werde, doch es sei zu befürchten, dass er sich unter Präsident Bolsonaro verschlimmern werde. Dieser hatte bereits angekündigt, dass er industrielle Landwirtschaft und Bergbau auf indigenen Territorien nicht strafrechtlich verfolgen werde.
In der Demokratischen Republik Kongo fiel der Verlust von Primärwald mit 481.248 Hektar 38% höher aus als noch 2011 bis 2017. Die Ausweitung der Waldrodung durch Kleinbauern für Landwirtschaft und Brennholz soll drei Viertel des Verlusts verursacht haben. Einige Schadensmuster deuteten jedoch darauf hin, dass auch neue und großflächigere landwirtschaftliche Aktivitäten und eine konfliktbedingte Vertreibung der Bevölkerung dazu beigetragen haben. In Indonesien wurden 339.888 Hektar Primärwald gerodet. Der Verlust von Primärwald sank auf den niedrigsten Stand seit 2003 und lagen 2018 um 40% unter der durchschnittlichen Jahresverlustraten im Zeitraum 2002-2016. „Das Land verzeichnete einen noch dramatischeren Rückgang der Waldverluste in geschützten Wäldern, was darauf schließen lässt, dass die jüngsten Maßnahmen der Regierung funktionieren“, schreibt Global Forest Watch in einem Blogartikel. Zum Feiern sei jedoch noch zu früh, denn es steht ein weiteres Jahr mit dem Klimaphänomen El Niño bevor, was in der Regel zu Trockenheit und Waldbränden in Indonesien führt, wie etwa 2015, als 2,6 Millionen Hektar Wald abbrannten.
In mehrere Länder Südamerikas hat die Rodung von Primärwald seit der Jahrhundertwende stark zugenommen. In Kolumbien gingen letztes Jahr 176.977 Hektar Primärwald verloren, ein Plus von 9% gegenüber 2017. „Ironischerweise hing dieser Verlust mit dem Friedensprozess zusammen, da Gegenden im Amazonasgebiet, die zuvor von den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) besetzt waren, entwickelt wurden. Ein trauriges Beispiel sei der Tinigua-Nationalpark, wo 12.000 Hektar oder 6% der gesamten Waldfläche gerodet wurden. In Bolivien wurden 154.488 Hektar gerodet – der Löwenanteil für die großflächige Landwirtschaft und die Nutzung als Weideland, vor allem im Chaco. Der Waldverlust in Peru (140.185 Hektar) gehe hingegen eher auf das Konto von Kleinbauern, einschließlich für die illegale Kokaproduktion. Aber auch neue Straßen und der illegale Goldabbau trugen dazu bei. Obwohl sich hunderte Länder und Unternehmen verpflichteten, die Abholzung bis 2020 zu reduzieren, und auch Fortschritte erzielt wurden, deuten die aktuellen Zahlen zum Verlust des Primärwaldes darauf hin, dass die Ziele verfehlt werden, warnt Global Forest Watch. Angesichts der Dringlichkeit, den rasant voranschreitenden Klimawandel und den irreversiblen Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten, müssen wir die Entwaldung stoppen, bevor es zu spät ist.“ (ab)