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11.08.2016 | permalink
Forscher: Landwirtschaft kann Förderer statt Hauptfeind der Artenvielfalt werden
Die Landwirtschaft und die Ausbeutung von Tier- und Pflanzenarten stellen eine weitaus größere Bedrohung für die Artenvielfalt dar als der Klimawandel. Das zeigt eine am 11. August im Fachjournal Nature erschienene Studie. Ein Team unter Leitung von Wissenschaftlern der University of Queensland in Australien gelangte zu dem Ergebnis, dass fast drei Viertel der weltweit bedrohten Arten am stärksten unter diesen klassischen Gefahren leiden, während Klimaveränderungen nur für 19 Prozent der Arten eine Bedrohung darstellen. „Es ist entscheidend, die Übernutzung sowie landwirtschaftliche Aktivitäten ins Visier zu nehmen, um beim Artenschwund eine Kehrtwende einzuleiten“, erklärt Hauptautor Sean Maxwell von der University of Queensland. Die Wissenschaftler hatten gemeinsam mit der Wildlife Conservation Society und der Weltnaturschutzunion (IUCN) insgesamt 8.688 auf der roten Liste der IUCN stehende Tier- und Pflanzenarten unter die Lupe genommen und Informationen zu 11 Hauptgefahren quantifiziert: Ausbeutung, landwirtschaftliche Aktivitäten, Urbanisierung, Invasion und Krankheit, Veränderung des Ökosystems, Klimawandel, menschliche Eingriffe, Transport und Energieproduktion. Die Auswertung ergab, dass 72 Prozent oder 6.241 Arten durch Übernutzung bedroht sind. Das bedeutet, dass sie der Natur schneller entnommen werden als sie nachwachsen oder sich vermehren können, zum Beispiel durch das Fällen von Bäumen, durch Jagen, Fischen oder das Sammeln wilder Arten. Am eigenen Leib erfuhren dies zum Beispiel das Sumatra-Nashorn, der Westliche Gorilla und das nachtaktive Chinesische Schuppentier, die wegen ihres Fleisches oder Körperteilen gejagt werden. Als zweithäufigsten Faktor identifizierten die Forscher die Landwirtschaft, die eine Gefahr für 62 Prozent der Arten darstellt. Der Haarnasenotter in Asien, der afrikanische Gepard und der Südandenhirsch in Lateinamerika sind nur einige der Tierarten, deren Lebensraum durch Ackerbau, Viehzucht, Aquakultur oder Holzplantagen bedroht wird. Doch die Wissenschaftler betonen auch, dass es effektive Ansätze gibt, um Schäden durch landwirtschaftliche Praktiken zu begrenzen. „Die Geschichte hat uns gelehrt, dass die Minimierung der Auswirkungen von Übernutzung und Landwirtschaft eine Vielzahl an Schutzmaßnahmen erfordert, aber dass dies möglich ist“, sagt Mitautor James Watson von der University of Queensland. „Maßnahmen wie gut verwaltete Schutzzonen, die Durchsetzung von Jagdbeschränkungen und die Förderung einer Art der Landwirtschaft, die bedrohten Arten ein gleichzeitiges Überleben ermöglicht – all das spielt eine wichtige Rolle bei der Eindämmung der Biodiversitätskrise.“ Als weitere Maßnahmen empfehlen die Autoren die Regulierung des Einsatzes von Pestiziden und Düngern sowie die Zertifizierung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken. „Diese Aktivitäten müssen ausreichend finanziert werden und in allen Bereichen Priorität haben, in denen die Bedrohung für die Biodiversität reduziert werden kann“, unterstreicht James Watson. (ab)
- Nature News & Comment: Biodiversity: The ravages of guns, nets and bulldozers
- The University of Queensland, Australia: Guns, nets and bulldozers driving species loss
- Proplanta: Landwirtschaft bedroht Artenvielfalt mehr als der Klimawandel
- Guardian: Agriculture and overuse greater threats to wildlife than climate change – study
09.08.2016 | permalink
Rechte indigener Völker haben Vorrang vor Interessen der Agrarindustrie
Hunger und Vertreibung sowie die systematische Verletzung ihrer Rechte ist für viele indigene Gemeinschaften weltweit an der Tagesordnung. Darauf macht die Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland anlässlich des Internationalen Tags der indigenen Völker am 9. August aufmerksam. Gerade in Lateinamerika werden individuelle und kollektive Rechte von Indigenen mit Füßen getreten – oft auch, da indigene Gruppen den Interessen der Agrarindustrie im Wege stehen, die es auf deren traditionelle Territorien abgesehen hat, um dort Sojafelder und Palmölplantagen anzulegen oder Viehzucht zu betreiben. „Die indigene Bevölkerung Lateinamerikas stirbt einen langsamen, aber sicheren sozialen und kulturellen Tod. Hierfür ist in erster Linie der fehlende Zugang zu ausreichenden Land-Ressourcen verantwortlich“, beklagt Almudena Abascal, Lateinamerika-Referentin von FIAN. Vielerorts sind indigene Territorien großen landwirtschaftlichen Nutzflächen gewichen. Für indigene Gemeinschaften bedeutet der Verlust ihres angestammtes Landes oft jedoch nicht nur die Vertreibung aus ihrem traditionellen Lebensraum, sondern beraubt sie häufig auch der Möglichkeit, sich selbst zu ernähren. Als Beispiel nennt FIAN den Kampf der Guarani-Kaiowá im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul, die nach und nach aus ihren traditionellen Gebieten vertrieben wurden, um Platz für die Landwirtschaft zu machen. Ohne ihr Land können die Kaiowá nicht mehr wie einst fischen, jagen, Wildfrüchte sammeln oder Ackerbau betreiben, um sich zu ernähren. Viele Guarani-Kaiowá hausen unter miserablen Bedingungen am Rande von Bundesstraßen, leiden unter Hunger oder Ernährungsunsicherheit. Allein im Jahr 2014 starben 55 Kinder an Unterernährung. Der Landverlust geht meist einher mit gewaltsamen Auseinandersetzungen bei Räumungen sowie systematischer Repression und Kriminalisierung indigener Völker. FIAN appelliert daher an die Staatengemeinschaft, ihren nationalen und internationalen Verpflichtungen nachzukommen und den Schutz indigener Völker zu garantieren. An feierlichen Bekenntnissen mangelt es nicht: Die von den UN-Staaten 2007 verabschiedete Erklärung über die Rechte indigener Völker enthält einen ausführlichen Katalog der besonderen Rechte indigener Gemeinschaften. Auf UN-Ebene steht der Tag der indigenen Völker dieses Jahr ganz im Zeichen des Themas Bildung. Denn Indigenen, insbesondere Kindern und Jugendlichen, bleibt der Zugang zu Bildung häufig verwehrt. Selbst wenn sie eine Schule besuchen können, ist der Erwerb von Bildung erschwert. „Sie müssen sich eine andere Sprache aneignen, ihre Identität verstecken. Ich glaube aber fest daran, dass wir unsere eigene Identität weiterhin bewahren und praktizieren müssen“, sagte die indigene, guatemaltekische Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú im Interview mit der österreichischen Tageszeitung Der Standard. (ab)
08.08.2016 | permalink
Menschheit lebt auf Pump: Ressourcen für 2016 am 8. August verbraucht
Auf den 8. August fällt dieses Jahr der Erdüberlastungstag – das Datum, an dem die Menschheit die für 2016 zur Verfügung stehenden Ressourcen verbraucht hat und die Erde stärker belastet, als sie sich regenerieren kann. Den „Earth Overshoot Day“ berechnet die internationale Nachhaltigkeitsorganisation Global Footprint Network aus den USA jährlich neu. Während die Erde im Jahr 2000 am 1. Oktober die Belastungsgrenze erreichte, sind die Ressourcen dieses Jahr so früh erschöpft wie noch nie – 5 Tage früher als noch 2015. Die Berechnungen berücksichtigen den Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern oder Fisch, aber auch den Ausstoß von CO2 oder die Müllproduktion. Laut dem Global Footprint Network beansprucht die Menschheit mittlerweile rein rechnerisch 1,6 Erden, um ihren Bedarf an Rohstoffen, Ackerland, Wasser und Wäldern zu decken – auf Kosten künftiger Generationen. „Würden alle Länder weltweit so wirtschaften wie Deutschland, wären sogar 3,1 Erden notwendig“, so Julia Otten von der Entwicklungsorganisation Germanwatch, eine der deutschen Nichtregierungsorganisationen, die auf die verschwenderische Wirtschaftsweise aufmerksam macht. Deutschland lebt bereits seit dem 29. April „auf Pump“ und überlastet die Erde vor allem durch hohe CO2-Emissionen in den Bereichen Energie, Verkehr und industrielle Landwirtschaft sowie durch einen sehr hohen Flächenbedarf, vor allem für die Fleischproduktion, erklärt Germanwatch. Die USA gehen noch unachtsamer mit ihren Ressourcen um: Bei einem weltweiten Konsum- und Lebensstil wie in den USA wären 4,8 Erden notwendig, Australien schafft es gar auf 5,4 Erden. Die Schweiz steht mit einem Verbrauch von 3,3 Erden an dritter Stelle und hat schon am 22. März ihr Budget an natürlichen Ressourcen aufgebraucht. Die weltweit anfallenden „Schulden“ dieser ökologischen Kontoüberziehung zeigen sich immer deutlicher in Form von Entwaldung, Dürren, Süßwassermangel, Bodenerosion, Artensterben und dem Ausstoß von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Macht die Menschheit weiter wie bisher, wären die Ressourcen im Jahr 2030 schon am 28. Juni aufgebraucht und wir bräuchten zwei Erden. Der CO2-Ausstoß ist nach den Berechnungen des Global Footprint Networks der am schnellsten wachsende Anteil des ökologischen Overshoots. Der CO2-Fußabdruck macht heute 60% des ökologischen Fußabdrucks aus: „Das Klimaabkommen von Paris ist bis jetzt das deutlichste Zeichen für die Notwendigkeit, den CO2-Fußabdruck drastisch zu reduzieren. Am Ende haben wir die Wahl zwischen Stabilität oder Kollaps “, sagte Mathis Wackernagel vom Global Footprint Network. „Wir empfehlen Nationen, Städten und Individuen vehement in Aktion zu treten und die Pariser Ziele zu einer greifbaren Realität zu machen.“ (ab)
03.08.2016 | permalink
Entwaldung und Biodiversitätsverlust: Studie stellt Palmöl an den Pranger
Die wachsende globale Nachfrage nach Palmöl gefährdet tropische Regenwälder und Tier- und Pflanzenarten auf vier Kontinenten, warnen Wissenschaftler der Duke University in einer am 27. Juli im Fachjournal PLOS ONE erschienenen Studie. Die Ausdehnung der Palmölproduktion von Südostasien auf Gebiete in Südamerika und Afrika habe in 43 Ländern zur Umwandlung großer Flächen tropischen Regenwaldes in Palmölplantagen geführt. „Fast alle Ölpalmen werden an Orten angebaut, die einst tropischer Regenwald waren. Die Abholzung dieser Wälder bedroht die Artenvielfalt und erhöht den Ausstoß von Treibhausgasemissionen“, betont Varsha Vijay, eine Doktorandin an der Duke’s Nicholas School of the Environment, die die Studie leitete. Dass jedes Jahr Millionen Hektar Wald brennen, um Platz für den Anbau von Ölpalmen zu machen, ist keine neue Erkenntnis, doch Vijay und ihr Team haben die durch den Palmölboom angeheizte Abholzung systematisch für vier Weltregionen untersucht, indem sie hoch aufgelöste Satellitenbilder von Google Earth und Landsat der letzten 25 Jahre auswerteten. Die Bilder für Südostasien, Afrika, Südamerika und Mittelamerika verglichen die Forscher dann mit Daten der Weltlandwirtschaftsorganisation FAO zu Entwicklungen bei der mit Ölpalmen bepflanzten Fläche in einzelnen Ländern. Das Ergebnis: Die höchste Entwaldungsrate gab es in Südostasien und Südamerika zu verzeichnen, insbesondere in Indonesien, Ecuador und Peru. In diesen Ländern wächst mehr als die Hälfte aller Ölpalmen auf Flächen, die seit 1989 entwaldet wurden. In Südostasien standen damals auf 45% der heute von Palmölplantagen belegten Fläche noch Wälder, in Südamerika waren es 31%. In Mittelamerika und Afrika ist der Raubbau für Palmöl noch nicht ganz so stark fortgeschritten – dort mussten seit 1989 nur je 2% bzw. 7% der Waldfläche den Ölpalmen weichen. Die Wissenschaftler warnen jedoch, dass in den Wäldern aller vier von der Palmölproduktion betroffenen Regionen zahlreiche bedrohte Tier- und Pflanzenarten leben. „Während es im Amazonas und in Indonesien viele weltweit vom Aussterben bedrohte Säugetiere und Vögel gibt, sind in anderen Gebieten wie dem Kongobecken und den Küstenwäldern Kolumbiens Arten mit geringer geographischer Reichweite beheimatet, die durch den Verlust ihres Lebensraums besonders verletzlich sind“, erklärt Mitautor Stuart Pimm. Da die Auswirkungen des ausufernden Ölpalmenanbaus auf die Biodiversität von Land zu Land und Region zu Region unterschiedlich sind, müssen Naturschutzstrategien vor Ort jeweils speziell auf die besonderen Risiken für die jeweilige Region zugeschnitten sein, um gefährdeten Arten zu schützen, betonen die Autoren. (ab)
01.08.2016 | permalink
Land-Fußabdruck: EU konsumiert auf Kosten anderer
Die EU nutzt weitaus mehr Agrarfläche als ihr zusteht und lagert so Umweltfolgen und soziale Konflikte in andere Weltregionen aus. Darauf macht ein am 27. Juli erschienener Bericht von Friends of the Earth Europe aufmerksam. Demnach benötigt die EU fast 270 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, um ihre Lebensmittelproduktion und nicht nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken aufrechtzuerhalten. Gut 40% des Landes liegt außerhalb der EU – etwa eine Fläche so groß wie Italien und Frankreich zusammen. Dem Bericht zufolge entfallen 151 Millionen Hektar oder 56% der Fläche auf Ackerland. Jeder EU-Bürger verbraucht 3100 Quadratmeter Ackerland – 1,5 Mal mehr als weltweit im Durchschnitt für jeden Menschen zur Verfügung steht. Denn teilt man die globale Ackerfläche von 1,4 Milliarden Hektar durch die Weltbevölkerung von 7 Milliarden, gibt es für jeden Menschen nur 2000 m². Damit heizt die EU die ungleiche Verteilung von Land an und überschreitet die planetaren Grenzen, so der Bericht. „Der Überkonsum frisst immer mehr Land auf – oft mit fatalen Folgen. Es ist ungerecht, unverantwortlich und nicht nachhaltig, dass wir weiterhin mehr als unseren gerechten Anteil an der globalen Landfläche verbrauchen und mehr als ein Drittel der mit dem Landverbrauch verbundenen Auswirkungen auf Ökosysteme und Gemeinschaften außerhalb der EU verlagern,“ kritisiert Meadhbh Bolger von Friends of the Earth Europe. Der Landfußabdruck der EU verursacht Umweltkosten, da für die Landwirtschaft bisher unberührte Natur in Ackerfläche umgewandelt wird. Das gefährdet Ökosysteme, treibt die Umwandlung von Wäldern in Plantagen voran, verringert die Kohlenstoffspeicherkapazität von Wäldern und verursacht Landdegradation und Biodiversitätsverlust, warnt der Bericht. Zudem führt der EU-Flächenbedarf zu Landgrabbing und Vertreibungen und beraubt so lokale Gemeinschaften weltweit ihres Zugangs zu Land und Ressourcen. Der Großteil des Landbedarfs der EU entsteht durch den Konsum tierischer Produkte: Auf Fleisch und Milchprodukte entfallen 70% der Fläche oder 196 Millionen Hektar Land, ein Drittel davon auf den Fleischkonsum. Die zweitgrößte Produktgruppe sind Pflanzenöle, gefolgt von Weizen, Früchten, Gemüse und Gewürzen, Alkohol, Kaffee, Tee und Kakao. Stanka Becheva von Friends of the Earth Europe fordert eine radikale Umgestaltung der Art und Weise, wie wir Land nutzen, um den unfairen Fußabdruck zu reduzieren. „Die industrielle Landwirtschaft und globale Lebensmittelketten verschlingen Land rund um den Globus, schaden der Umwelt und ländlichen Gemeinden. Wir brauchen zügig einen fairen Übergang zu einer nachhaltigeren Art der Landwirtschaft, die für alle Menschen und den Planeten funktioniert.” Die Autoren des Berichts empfehlen die Entwicklung von Politiken und Anreizen, die auf eine Verringerung des Konsums landintensiver Lebensmittel oder von Produkten mit negativen Folgen für die Umwelt abzielen, insbesondere tierischer Produkte. (ab)
27.07.2016 | permalink
Gutachten: Ökologisch bewirtschaftete Böden speichern mehr Wasser
Ökologisch bewirtschaftete Böden speichern deutlich mehr Wasser als Flächen konventioneller Betriebe und können daher Überschwemmungen besser vorbeugen. Zu diesem Ergebnis kommt die Kommission Bodenschutz beim Umweltbundesamt (KBU) in ihrem Positionspapier „Böden als Wasserspeicher“. Wasserspeicherung und Versickerung sind wichtige Ökosystemleistungen von Böden, betont das Gutachten: Funktionierende Böden können Regenwasser rasch aufnehmen, große Mengen davon speichern und später den Pflanzen zur Verfügung stellen sowie die Grundwasserneubildung sicherstellen. Doch Eingriffe des Menschen können diese wertvollen Bodenfunktionen stark beeinträchtigen. Gerade in Städten findet Regenwasser oft nur schwer einen Weg in den Boden, da die hohe Flächeninanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr die Versickerung und Wasserspeicherfähigkeit reduziert. Doch auch die Art der landwirtschaftlichen Bodenbewirtschaftung beeinflusst die Wasserrückhaltekapazität von Böden. Eine schleichende negative Veränderung des Bodengefüges entsteht etwa durch die Verschlämmung und Verdichtung des Bodens, bedingt durch den Einsatz immer größerer und schwererer Maschinen, so die Bodenexperten. Auch wenn Wälder und Dauergrünland mehr Wasser speichern können als Ackerflächen, machen landwirtschaftliche Böden etwa die Hälfte der für Versickerung und Wasserspeicherung zur Verfügung stehenden Landfläche aus, schreibt die Kommission Bodenschutz unter Berufung auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes. In Betrieben des ökologischen Landbaus sei die Versickerungsrate mehr als doppelt so hoch als in konventionellen Betrieben. „Hauptursache hierfür ist eindeutig die signifikant höhere biologische Aktivität ökologisch bewirtschafteter Böden und nicht allein deren Gehalt an organischer Bodensubstanz“, lautet das Fazit der Gutachter. Eine wichtige Rolle spiele „das von Wurzeln und Regenwürmern gebildete krümelige Bodengefüge und stabile Makroporen, die Niederschlagswasser rasch in die Tiefe ableiten und damit im Unterboden eine größere Wasserspeicherkapazität erschließen können.“ Zwar tummeln sich Regenwürmer auch auf konventionell bewirtschafteten Flächen, doch Vergleichsuntersuchungen in Abhängigkeit vom Produktionssystem belegten, dass die Anzahl der Regenwürmer in ökologisch bewirtschafteten Böden deutlich höher ist. Die Kommission Bodenschutz empfiehlt den Ökolandbau aufgrund der erhöhten Infiltrationsleistung gezielt und mit ausreichenden Anreizen zu fördern. Ein Vorschlag sind Kompensationsmaßnahmen für Flächenverbrauch: „Zum Ausgleich könnte für jede durch Versiegelung verloren gegangene Fläche im Einzugsgebiet die Umstellung der doppelten Fläche auf Ökologischen Landbau angestrebt werden“, empfehlen die Gutachter. Der Verband ökologischer Erzeuger Bioland begrüßte die Idee: „Neben der notwendigen Minderung der Flächenversiegelung von Agrarflächen wäre mehr Biofläche eine geeignete Kompensationsmaßnahme für Flächenverbrauch und Bodenversiegelung. Darüber hinaus leistet der Biolandbau auch viel für mehr Biodiversität in der Agrarlandschaft“, betonte Bioland-Präsident Jan Plagge. (ab)
25.07.2016 | permalink
EU-Kommission lässt Gentechnik-Soja von Monsanto und Bayer zu
Die EU-Kommission hat den Weg für noch mehr Gentechnik-Soja in Europas Futtertrögen freigemacht und drei neue Sojasorten der Konzerne Monsanto und Bayer für die Einfuhr in die Europäische Union zugelassen. Wie die Kommission am Freitag mitteilte, erhielten die Sojabohnen MON 87708 x MON 89788, MON 87705 x MON 89788 und FG 72 die Genehmigung für die Verwendung in Lebens- und Futtermitteln. Die Genehmigung erstreckt sich nicht auf den Anbau. Da sich die Mitgliedstaaten in den zuständigen Fachausschüssen zuvor wieder einmal nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnten, gab die EU-Kommission nun grünes Licht für die Einfuhr der Gentechnik-Sorten. Die Sojabohnen können mit Glyphosat in Kombination mit Herbiziden wie Dicamba oder Isoxaflutol gespritzt werden. Monsanto bezeichnete die Einfuhrgenehmigung als einen Meilenstein. Im Februar hatte bereits der wichtigste Sojaimporteur China die drei Sorten durchgewunken. Die Organisation Testbiotech reagiert hingegen weniger erfreut auf die Nachricht und betonte, dass Bedenken zu den gesundheitlichen Risiken der mit den Sojasorten verwendeten Herbizide nicht ausgeräumt seien. Laut eines kürzlich veröffentlichten Testbiotech-Gutachten bestehe ein erhöhtes Risiko, dass Rückstände – vor allem aus der kombinierten Anwendung dieser Spritzmittel – erbgutverändernd seien und Vergiftungen der Leber sowie Tumore auslösen könnten. Es gebe derzeit weder verlässliche Grenzwerte für die Rückstände, die von diesen Herbiziden stammen, noch wurde ihre Kombinationswirkung von der EFSA untersucht, kritisiert die Organisation. Zudem erhebt Testbiotech den Vorwurf, dass die Zulassung unter massivem Druck der Konzerne erfolgte. „Diese Zulassung wirkt wie eine Generalprobe für TTIP und CETA. In Brüssel regiert die Gentechnik-Industrie offensichtlich schon jetzt mit“, sagt Christoph Then von Testbiotech. „Die EU-Kommission riskiert ihre Glaubwürdigkeit für die Interessen von Monsanto und Bayer. Angeblich wurde die Zulassung der Soja bereits vor Wochen im Rahmen der Freihandelsgespräche zugesagt.“ Derzeit sind 64 genetisch veränderte Lebens- bzw. Futtermittel in der EU zugelassen während nur die Maissorte MON810 für den Anbau genehmigt ist. (ab)
20.07.2016 | permalink
Keine Idealmaße: Hälfte der Lebensmittel in den USA wird für die Tonne produziert
In den USA gelangt fast die Hälfte aller Agrarerzeugnisse nicht vom Acker auf die Teller der Verbraucher, da sie Schönheitsidealen nicht genügen. Das ergab eine Reportage der britischen Tageszeitung The Guardian. Aufgrund der Nachfrage des Handels und der Verbraucher nach perfektem Obst und Gemüse bleiben riesige Mengen für den Verzehr perfekt geeignete, nährstoffreiche Lebensmittel auf den Felder zurück und verrotten, werden an Tiere verfüttert oder direkt auf Mülldeponien verfrachtet. Die zahlreichen Interviews des Guardian mit Landwirten, Verpackern, LKW-Fahrern, Regierungsbeamten, NGO-Mitarbeitern und Wissenschaftlern legen nahe, dass das Ausmaß der Verschwendung weitaus größer ist als offizielle Zahlen bisher belegen. Eine Regierungsstudie war zu dem Ergebnis gelangt, dass rund 60 Millionen Tonnen landwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von 160 Milliarden US-Dollar jedes Jahr vom Einzelhandel und den Verbrauchern in die Tonne befördert werden – etwa ein Drittel aller Lebensmittel. Doch diese Verluste am Ende der Lieferkette stellen nur die Spitze des Eisbergs dar, denn vor allem die verschmähten Lebensmittel am Anfang der Kette machen einen nicht zu unterschätzenden Anteil aus. Der Guardian schreibt, dass „Gemüse mit Makel regelmäßig auf den Feldern liegen bleibt, um Kosten und Arbeitskraft bei der Ernte einzusparen. Oder man lässt es in einem Lager verrotten, da es geringfügige Schönheitsfehler aufweist, die nicht im Geringsten die Frische oder Qualität beeinflussen.“ Werden diese Abfälle zur Lebensmittelverschwendung in Handel, Gastronomie und auf Verbraucherebene hinzugerechnet, so endet nach Schätzungen der Autoren in den USA fast die Hälfte aller Agrarerzeugnisse im Müll. „Es geht hier um makellose Produkte“, sagte Jay Johnson, der frisches Obst und Gemüse aus North Carolina und Florida verschifft. „In unserem Geschäft muss es heutzutage entweder perfekt sein oder es wird nicht angenommen. Wenn sie es nicht für makellos halten, wird es abgelehnt. Und dann bleibst du auf der Ware sitzen.“ Wayde Kirschenman, dessen Familie in der Nähe von Bakersfield in Kalifornien Kartoffeln und Gemüse anbaut, schätzt, dass „zeitweise 25% der Feldfrüchte einfach weggeworfen oder den Tieren verfüttert werden. Manchmal ist es noch schlimmer.“ Der Anbau dieser enormen Mengen verschwendeter Lebensmittel belastet die Umwelt unnötig und verbraucht Ressourcen. Zudem kommt die Verschwendung auch die Verbraucher teuer zu stehen: Eine vierköpfige Familie in den USA wirft zum Beispiel jedes Jahr Lebensmittel im Wert von 1600 Dollar in den Müll. Für die Bauern birgt der Schönheitswahn bei Obst und Gemüse ein finanzielles Risiko, da sie der Macht der Handelsketten, die ihre Erzeugnisse aufgrund kleiner Makel häufig zurücksenden, wenig entgegensetzen können. Die interviewten Landwirte und Transporteure sagten dem Guardian, dass ihre Lebensmittel mehrfach mit fadenscheinigen Argumenten zurückgewiesen wurden. Doch den Streitbeilegungsmechanismus des Landwirtschaftsministeriums rufen sie dennoch nicht an, da sie den Boykott durch die großen Supermärkte fürchten. „Die würden nie mehr etwas von dir abnehmen. Wer setzt schon Umsätze in Höhe von 5 Millionen Dollar auf Spiel für eine Ladung im Wert von 8000 Dollar?“, beschreibt der Besitzer eines mittelständischen Fuhrunternehmens an der Ostküste das Dilemma. (ab)
14.07.2016 | permalink
TTIP: Schlechter Deal für Landwirtschaft und Verbraucher in Europa
Die Landwirtschaft und die Verbraucher in Europa würden beim Abschluss des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP zu den Verlierern gehören. Davor warnt ein neuer Bericht des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der am Dienstag veröffentlicht wurde. Große Nachteile seien von dem Handelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union besonders für die Landwirte in Europa zu erwarten. Mit TTIP werde der ohnehin hohe Preisdruck auf Agrarerzeugnisse zunehmen und das Höfesterben könnte sich weiter beschleunigen, warnen die Umweltschützer. „Unter Druck geraten insbesondere die Schweine- und Rindfleischproduktion sowie die Milchwirtschaft. Profitieren werden, wenn überhaupt, nur einige wenige Großbetriebe. Die großen Verlierer sind bäuerliche Agrarbetriebe und die Verbraucher auf beiden Seiten des Atlantiks“, betonte Mute Schimpf, Agrarexpertin von Friends oft the Earth und Autorin des Papiers. Der BUND hatte vier Studien ausgewertet, die vom US-Agrarministerium (USDA), dem Europäischen Parlament, dem britischen Netzwerk von Wirtschaftswissenschaftlern CEPR und dem französischen CEPII-Institut stammen. Das USDA zum Beispiel hatte für fast jede Lebensmittelgruppe sinkende Erzeugerpreise für die EU-Bauern und -bäuerinnen prognostiziert. Der BUND befürchtet zudem die Aufweichung schwer erkämpfter Tierschutzstandards und ein Anheben der Schwellenwerte für gentechnische Verunreinigungen von Saatgut sowie Lebens- und Futtermitteln. Das in der EU geltende Vorsorgeprinzip laufe Gefahr, durch TTIP ausgehebelt zu werden: Die EU-Zulassungsverfahren für Produkte, die ein potentielles Gesundheits- oder Umweltrisiko bergen, könnte durch den US-amerikanischen Ansatz ersetzt werden. Bei letzterem darf ein Stoff erst reglementiert werden, wenn ein eindeutiger Beweis für seine Gefährlichkeit vorliegt. „Bevor diese Beweise da sind, kann solche Ware jahrelang auf dem Markt gewesen sein, mit all den möglichen Risiken und Nebenwirkungen“, so Schimpf. Statt eine Agrarwende in Europa einzuleiten und die bäuerliche Landwirtschaft zu stärken, werde mit TTIP eine industrielle Agrarwirtschaft unterstützt, die zulasten der Gesundheit von Mensch und Umwelt geht und auf der Ausbeutung von Tieren und Menschen beruht, warnt die Studie. Laut BUND-Vorsitzendem Hubert Weiger hätten jedoch die Proteste der letzten Monaten gezeigt, dass die europäischen Verbraucher dies nicht wollen: „Viele Menschen sind gegen eine chemiebasierte Agrarindustrie, sie wünschen sich eine andere Landwirtschaft und wollen umweltfreundlich arbeitende Agrarbetriebe, die gesunde und regional erzeugte Lebensmittel produzieren. Die Politik muss diesen Paradigmenwechsel endlich anerkennen und fördern anstatt dubiosen sogenannten Freihandelsabkommen zum Durchmarsch zu verhelfen“, forderte Weiger. (ab)
12.07.2016 | permalink
Mehr Betriebe und Fläche: Ökolandbau in Deutschland wächst
Der Ökolandbau befindet sich in Deutschland im Aufwind: 2015 wuchs die Bioanbaufläche um rund 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 1.088.838 Hektar. Das geht aus den Strukturdaten zum ökologischen Landbau hervor, die das Bundeslandwirtschaftsministerium am Montag veröffentlichte. Auch die Zahl der Ökobetriebe nahm deutlich zu: 24.736 Biobetriebe gab es 2015 in der Bundesrepublik – das sind 5,7 Prozent mehr als noch 2014. „Die Zahl der Betriebe und der Fläche im Ökolandbau steigen stabil. Auch der Markt wächst, 2015 erwirtschaftete der Biomarkt in Deutschland mehr als acht Milliarden Euro Umsatz, Tendenz stark steigend“, erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) wertete den Zuwachs an Bio-Flächen als positives Signal, sowohl für die Menschen, die mehr hierzulande produzierte Biolebensmittel wünschen, als auch für die Umwelt: „Mehr Gewässer werden von Nitrat und Pestiziden bewahrt und unsere Nutztiere leben artgerechter“, betonte der Vorsitzende des BÖLW, Felix Prinz zu Löwenstein. „Klar ist jedoch, dass Bio auf dem Acker und im Stall noch stärker wachsen muss, wenn wir die deutschen Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele erreichen wollen. Die dazu in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung avisierten 20% Ökolandbau werden absehbar nur dann Wirklichkeit, wenn Schmidt seine Öko-Zukunftsstrategie mit Ressourcen hinterlegt und die Bundesregierung die Weichen in allen Politikbereichen auf Bio stellt.“ Zwar bekannte sich Schmidt anlässlich der Veröffentlichung der Zahlen zu dem Ziel, „den Ökolandbau in Deutschland weiter voranzubringen“, doch erst kürzlich musste er ordentlich Schelte einstecken: Die deutschen Öko-Erzeugerverbände warfen ihm anlässlich des vorgelegten Haushaltsentwurfes des Bundesagrarministeriums 2017 vor, seinen Worten keine finanziellen Mittel für die Förderung des Ökolandbaues folgen zu lassen. „Der Bundesagrarminister arbeitet seit 2014 an einer Zukunftsstrategie Ökolandbau um das Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung von 20% Bio-Flächen zu erreichen. Die Bio-Verbände haben die neue Strategie begrüßt, aber ohne die Mittel diese umzusetzen, ist sie das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wird“, kritisierten Bioland, Demeter, Naturland und weitere Verbände in einer gemeinsamen Erklärung. Während der Agrarhaushalt um insgesamt 300 Millionen wachsen soll, köchele das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) ohne neue Finanzmittel auf Sparflamme. Der Ökolandbau müsse mit Forschung und einer kohärenten Agrarpolitik unterlegt werden, forderten die Verbände. (ab)