Anpassung an den Klimawandel

Die Landwirtschaft ist nicht nur einer der wichtigsten Verursacher des Klimawandels, sondern auch sein bedeutendstes Opfer. Dürre und Überschwemmun- gen, Stürme und Tornados, der Anstieg des Meeres-spiegels, die Versalzung des Grundwassers, häufigere und schwerere Unwetter, die Wanderung und Ausbreitung alter und neuer Krankheitserreger, beschleunigtes Artensterben – all diese Plagen des Klimawandels werden die Landwirtschaft unmittelbar treffen. Der neueste Bericht des Weltklimarates (IPCC) lässt daran noch weniger Zweifel als der Bericht 2007, auf den sich der Weltagrarbericht stützte: Manche Küstenregionen und Trockengebiete werden der landwirtschaftlichen Nutzung vollständig verloren gehen, viele Regionen schwere Einbußen erleiden und nur wenige zu den Gewinnern gehören. Millionen Menschen werden ihre Heimat und Existenzgrundlage verlieren.

Veränderung der landwirtschaftlichen Produktivität

Nach allem, was wir bisher wissen, werden Afrika, der Süden Asiens und Lateinamerika besonders unter dem Klimawandel zu leiden haben.„Die Landwirtschaft der Industrieländer, die in der Regel in höheren Breitengraden gelegen ist und über Betriebsgrößen- vorteile, guten Zugang zu Informationen, Technologie und Versicherungsprogrammen sowie über eine günstige Position im globalen Handel verfügt, ist für eine Anpassung an den Klimawandel relativ gut gewappnet. Im Gegensatz dazu haben kleinbetriebliche Produktionssysteme ohne Bewässerung in semiariden oder subhumiden Gebieten, die regelmäßig erheblichen Klimaschwankungen zwischen den Jahreszeiten und von Jahr zu Jahr ausgesetzt sind, eine geringe Anpas- sungskapazität. Dies liegt an grenzwertigen Produktionsbedin- gungen, armutsbedingten Beschränkungen und fortschreiten- der Bodenerosion. Besonders betroffen sind Subsahara-Afrika, Zentral- und Westasien und Nordafrika.” (Synthese, S. 51) In einigen nördlichen Regionen Europas, Asiens und Amerikas könnte dagegen die Produktivität sogar steigen. Die heute wichtigsten Exportregionen und Kornkammern der Welt – wie der Mittlere Westen der USA, Australien, Brasilien, Thailand, Vietnam sowie große Teile Chinas und Indiens – müssen mittelfristig mit drastischen Ernteverlusten rechnen. Die von den Gletschern der Anden und des Himalaya bewässerten Gebiete sind besonders hart getroffen: Während das Eis schmilzt, drohen Überflutungen, danach empfindlicher Wassermangel. Erstmals spricht der IPCC von nicht mehr auszugleichenden Ernteverlusten zum Ende des 21. Jahrhunderts; v.a. falls die Temperaturen im Durchschnitt auf über 2 Grad Celsius ansteigen. Noch sind viele, vor allem lokale Auswirkungen des Klimawandels ungewiss. Extreme, die sich hinter globalen Durchschnittswerten verbergen, können Gegenden unbewohnbar machen und fatale Wetterkapriolen verursachen. Wo der Beginn der Regenzeit nicht mehr vorhersehbar ist, wird die Aussaat zum Lotteriespiel.

Vielfalt und Wälder sind die beste Versicherung

So unterschiedlich die Anpassungsstrategien in verschiedenen Regionen der Welt sein müssen, lassen sich doch einige erfolgversprechende Grundsätze benennen. Eine Faustregel lautet, die Anfälligkeit der jeweiligen Agrarsysteme für extreme Bedingungen zu reduzieren und ihre Widerstands- fähigkeit durch Diversifizierung zu erhöhen. Monokul- turen sind ganz offensichtlich gefährdeter und anfäl- liger für viele der beschriebenen Herausforderungen als Anbausysteme, die auch noch auskömmliche Erträge liefern, wenn einzelne Pflanzen in einer Saison Einbußen erleben oder ganz versagen. >>mehr

Fakten & Zahlen

„Steigende Temperaturen, extreme Hitze, Dürre, Brände auf Weideflächen und starke Regenfälle dürften die landwirtschaftliche Produktivität in den USA zunehmend beeinträchtigen. Wachsende Herausforderungen für die Tiergesundheit, sinkende Ernteerträge und -qualität sowie sich verändernde Extremwetterereignisse in den USA und im Ausland bedrohen die Existenzgrundlagen im ländlichen Raum, die nachhaltige Ernährungssicherheit und die Preisstabilität.“ Im Mittleren Westen könnten die Erträge von Nutzpflanzen wie Mais um 5% bis über 25% sinken.

„Anpassungsmöglichkeiten im Landsektor umfassen land- und forstwirtschaftliche Optionen, nachhaltige Ernährungsweisen und eine Verringerung der Lebensmittelverschwendung, die Anreicherung von Kohlenstoff in Böden, Tierhaltung und Düngemanagement, die Verringerung der Entwaldung, Aufforstung und Wiederaufforstung sowie eine verantwortungsvolle Beschaffung.“

„Es besteht zunehmend Einigkeit darüber, dass die Gesamtemissionen der Lebensmittelsysteme reduziert werden könnten, indem die Nachfrage nach Fleisch und anderen tierischen Erzeugnissen gesteuert wird – gerade dort, wo der Verbrauch höher ist, als es für den Menschen gesund ist. Die Anpassung der Essgewohnheiten an Ernährungsrichtlinien würde große Vorteile bringen durch verringerte Treibhausgasemissionen und eine bessere Gesamteffizienz der Lebensmittelsysteme. Ernährungsumstellungen könnten ein Fünftel der Minderung beitragen, die nötig ist, um die Erwärmung unter 2°C zu halten.“

Um den Klimawandel auf unter 2°C bzw. 1,5°C begrenzen zu können, müssten die Menschen u.a. Flexitarier werden und im Schnitt den Konsum von Rindfleisch um 75% und den von Schweinefleisch um 90% reduzieren und nur noch die Hälfte an Eiern essen. Der Verzehr von Bohnen und Hülsenfrüchten müsste sich dafür verdreifachen und der von Nüssen und Samen vervierfachen.

Um die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter unter 2 Grad zu halten, müssen die globalen Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 40 bis 70% gegenüber 2010 verringert werden und bis 2100 auf mindestens null gesenkt werden.

Die Kosten für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Entwicklungsländern werden nach UN-Schätzungen zwei bis dreimal höher sein als erwartet. Bis 2025-2030 könnten sie auf 150 Milliarden Dollar jährlich steigen und sich ab 2050 im Rahmen von 250-500 Milliarden US-Dollar bewegen. Bisher ging die Weltbank von 70 bis 100 Milliarden Dollar pro Jahr ab 2050 aus.

In Afrika ist der Wirtschaftssektor Landwirtschaft, der 50% des Gesamtexportwertes und 21% des BIP ausmacht, besonders anfällig für extreme Wetterereignisse. Es wird vorhergesagt, dass die Klimafolgen für Namibias natürliche Ressourcen jährliche Verluste von 1% bis 6% des BIP verursachen - Viehwirtschaft, traditionelle Landwirtschaft und Fischerei werden am stärksten getroffen mit Gesamtverlusten von 461 bis 2.045 Millionen US$ pro Jahr bis 2050.

Zwei Drittel Afrikas sind bereits von Trockenheit und Dürren betroffen. Der Klimawandel verstärkt diesen Prozess der Desertifikation. Auf Teilen des indischen Subkontinents hingegen werden die Niederschläge immer stärker.

In der Landwirtschaft werden sich die erwarteten Klimaänderungen auf Ackererträge, Herdenführung und Produktionsstandorte auswirken.

Jährlich werden weltweit 13 Millionen Hektar Wald gerodet und zu Ackerland gemacht. Das ist ein riesiger Verlust an Tier- und Pflanzenarten. Zudem heizt die Rodung den Klimawandel an: Die ehemaligen Urwaldböden setzen viel Kohlenstoff frei und gehen als Wasserspeicher verloren.

Die niedrige Kohlenstoffkonzentration auf intensiv genutzten Anbauflächen lässt viel Spielraum, den Humus- und damit Kohlenstoffgehalt durch eine optimierte Landbewirtschaftung zu erhöhen.

2,6 Milliarden Menschen, die mit weniger als zwei US-Dollar pro Tag überleben, werden zuerst und am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leiden.

Grundlagen

  • IPCC Weltklimarat mit seinem 5. Sachstandsbericht von 2014, Arbeitsgruppe 3 beschäftigte sich mit Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels
  • UNFCCC Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen
  • Climate Adapt Neue Seite der Europäischen Umweltagentur zur Verbesserung der Anpas- sungsfähigkeit europäischer Regionen an den Klimawandel
  • Europäische Kommission zum Thema Landwirtschaft und Anpassung an den Klimawandel
  • BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zum Thema Anpassung an den Klimawandel
  • Umweltbundesamt zu Klimafolgen und Anpassung
  • PIK Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Bewegung

Literatur

Videos: Anpassung an den Klimawandel

Klicken Sie auf das Bild um die Videoplaylist anzusehen

Grafiken

  • UNEP Trends in natural disastersUNEP Trends in natural disasters
  • UNEP Forest distributionUNEP Forest distribution
  • UNEP Emissions from agricultureUNEP Emissions from agriculture
  • Cereal productivity under IPCC scenarioCereal productivity under IPCC scenario
  • Agriculture in 2080 due to climate changeAgriculture in 2080 due to climate change
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